Zum Hauptinhalt springen

Position zur Ausweitung der Optionskommunen

Positionspapier,

Union, FDP und SPD haben sich zusammen gefunden um mit der sogenannten Jobcenter-Reform für alle Hartz IV-Betroffene die Arbeitsverwaltung neu zu regeln (SGB-II-Organisationsreform). Ein entsprechender Gesetzentwurf ist in den Bundestag eingebracht worden und soll bis zur Sommerpause verabschiedet werden. Ein zentrales Ziel: die Betreuung und Vermittlung von Erwerbslosen zu einem größeren Teil auf die Kommunen zu übertragen. Damit droht ein arbeitsmarktpolitischer Flickenteppich, der auch noch den Steuerzahler teuer zu stehen kommt.

Union, FDP und SPD wollen die Betreuung und Vermittlung von Erwerbslosen stärker den Kommunen übertragen. Warum DIE LINKE dagegen ist.

AK IV
Arbeitskreis Arbeit und soziale Sicherung
Leitung: Leitung Klaus Ernst
verantwortlich: Sabine Zimmermann, arbeitsmarktpolitische Sprecherin, und Katja Kipping, sozialpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag

Union, FDP und SPD haben sich zusammen gefunden um mit der sogenannten Jobcenter-Reform für alle Hartz IV-Betroffene die Arbeitsverwaltung neu zu regeln (SGB-II-Organisationsreform). Ein entsprechender Gesetzentwurf ist in den Bundestag eingebracht worden und soll bis zur Sommerpause verabschiedet werden. Ein zentrales Ziel: die Betreuung und Vermittlung von Erwerbslosen zu einem größeren Teil auf die Kommunen zu übertragen. Damit droht ein arbeitsmarktpolitischer Flickenteppich, der auch noch den Steuerzahler teuer zu stehen kommt.

DIE LINKE fordert dagegen eine einheitliche Arbeitsverwaltung. Wir meinen: Die Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse erfordert eine bundesweite Arbeitsmarktpolitik und keine weitergehende kommunale Zuständigkeit. Im Folgenden wollen wir dafür Argumente liefern. Denn in den nächsten Wochen und Monaten werden auf Landes- und Kommunalebene zahlreiche Mitglieder und Sympathisanten unserer Partei mit der Frage der „Kommunalisierung der Arbeitsverwaltung“ konfrontiert sein. Das vorliegende Papier soll eine Hilfestellung für die Auseinandersetzungen geben. Es gibt in nicht wenigen Kommunen Bestrebungen, die Betreuung und Vermittlung von Erwerbslosen selbst in die Hand zu nehmen.

Auf folgende Fragen wird im Folgenden eingegangen:
  • Warum gibt es die „Jobcenterreform“?
  • Welche Rolle spielt die Kommunalisierung bei der Jobcenterreform?
  • Betrifft die Neuorganisation auch grundlegende politische Fragen von Hartz IV?
  • Warum ist DIE LINKE gegen eine Kommunalisierung in der Arbeitsmarktpolitik?
  • Was sagen die Gewerkschaften und Erwerbsloseninitiativen?
  • Sind Bestrebungen die Arbeitsverwaltung auf kommunaler Ebene in Eigenregie zu übernehmen nicht verständlich?
  • Warum gibt es die „Jobcenterreform“?

Im Dezember 2007 erklärte das Bundesverfassungsgericht die Organisationsform der „Argen“ - Arbeitsgemeinschaften von Arbeitsagentur und Kommune - für verfassungswidrig. Laut dem Gericht widerspricht die gemeinsame Verwaltung zwischen der lokalen Niederlassung der Bundesagentur für Arbeit und den Kommunen dem Grundgesetz (unzulässige Mischverwaltung). Die Politik muss bis zum 31.12.2010 eine Neuregelung vornehmen. Mit ihrem Gesetzentwurf wollen Union, FDP und SPD organisatorisch weitgehend alles beim Alten lassen, aber die Verfassungswidrigkeit dadurch ausräumen, dass sie das Grundgesetz entsprechend ändern.

Welche Rolle spielt die Kommunalisierung bei der Jobcenterreform?

Mit der Jobcenterreform sollen die sogenannten Optionskommunen ausgeweitet werden. Optionskommunen sind Landkreise und kreisfreie Städte, die seit Beginn von Hartz IV 2005 die Arbeitsverwaltung in Eigenregie durchführen, also ohne die Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit. Die Einführung der Optionskommunen geht wesentlich auf den hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch zurück. Dieser hatte sich bei Amerika-Aufenthalten für die US-Sozialhilfereform begeistert. Vorbildlich erschienen ihm der erhöhte Druck auf die Erwerbslosen und die dezentrale Zuständigkeit.

Der Gesetzentwurf sieht nunmehr vor, die zulässige Zahl der Optionskommunen zu erhöhen und diese dauerhaft festzuschreiben. Ursprünglich sollte es die derzeit 69 Optionskommunen nur bis zum Ende dieses Jahres geben. Nun wird ihre Befristung aufgehoben und ihre Zahl auf 110 angehoben. Ein Viertel aller Kommunen würde damit die Betreuung und Vermittlung von Erwerbslosen in Eigenregie betreiben.

Betrifft die Neuorganisation auch grundlegende politische Fragen von Hartz IV?

Nein. Weder die Höhe der Regelsätze (dazu gibt es nach einem anderen Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom Februar 2010 ein gesondertes Verfahren), noch die Abschaffung der Sanktionen stehen zur Debatte. Zwischenzeitlich spielte allerdings Arbeitsministerin Frau von der Leyen mit dem Gedanken, mit der Organisationsreform zugleich die Sanktionen zu verschärfen.

Allerdings treffen Union, FDP und SPD mit der Jobcenterreform eine organisationspolitisch schwerwiegende Entscheidung. Denn mit der Änderung des Grundgesetzes wird ein Grundprinzip der Hartz-Reformen in die Verfassung fest geschrieben: nämlich die Trennung der Erwerbslosen in zwei Klassen, Bezieher/innen von Arbeitslosengeld und Bezieher/innen von Hartz IV Leistungen. DIE LINKE fordert dagegen, eine Anlaufstelle für alle Erwerbslosen zu schaffen und allen die gleiche Förderung zu ermöglichen. Es ist nicht nachvollziehbar, warum bei gleicher Problemlage die Betroffenen unterschiedlich behandelt werden.

Warum ist DIE LINKE gegen eine Kommunalisierung in der Arbeitsmarktpolitik?

Die Kommunalisierung der Arbeitsverwaltung ist ordnungspolitisch ein falscher Weg. Erwerbslosigkeit ist ein gesamtgesellschaftliches Problem und darf als solches nicht auf die Kommunen übergewälzt werden. Wer eine einheitliche Rechtsanwendung möchte, für wen die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Land ein wichtiges Ziel darstellt, wem an einer bundesweiten Arbeitsmarktpolitik gelegen ist, darf die Zuständigkeit für das SGB II nicht auf die Kommunen übertragen.

Kommunen betreiben in Eigenregie keine bessere Arbeitsvermittlung. Im Gegenteil. Ein Bericht der letzten Bundesregierung (die sogenannte 6c-Evaluierung) belegt: Optionskommunen sind nachweisbar weniger in der Lage Erwerbslose in bedarfsdeckende Beschäftigung zu vermitteln und aus der Hilfebedürftigkeit herauszuführen als die Jobcenter der Arbeitsagentur. Das heißt: Sie vermitteln öfter auf Arbeitsplätze, von deren Lohn die Menschen nicht leben können, oder in befristete Arbeitsverhältnisse, so dass nach einiger Zeit die Betroffenen wieder erwerbslos werden. Das ist schlimm für die Betroffenen und belastet die Gemeinschaft. Denn das bedeutet: mehr Ausgaben bei den Sozialleistungen, weniger Einnahmen bei den Steuern und den Sozialversicherungen. Stellt man das Modell einer vollständig kommunalisierten Arbeitsvermittlung dem Modell einer bundesweit einheitlichen Arbeitsvermittlung gegenüber, ergeben sich rechnerische Mehrkosten von 3,9 Milliarden Euro. Angesichts dieser Ergebnisse nun die Optionskommunen auszuweiten, ignoriert die jahrelange wissenschaftliche Begleitforschung und verkehrt die Ergebnisse ins Gegenteil.

Ferner ergeben sich massive Probleme aus der getrennten Finanzierungs- und der Umsetzungsverantwortung. Der Bundesrechnungshof, bestimmt kein Freund der Linken, kritisiert: Das Modell der Bundesregierung gibt ein einheitliches System zur Grundsicherung für Arbeitsuchende dauerhaft auf und führt zu einem unnötig komplizierten Verwaltungsaufbau mit entsprechenden finanziellen Mehrausgaben.

Eine Kommunalisierung der Arbeitsverwaltung wäre zudem ein historischer Rückschritt. 1927 wurde in Deutschland nach langem Ringen die gesetzliche Arbeitslosenversicherung eingeführt und in diesem Zusammenhang eine landesweit einheitliche Arbeitsverwaltung geschaffen. Dies war auch eine Antwort darauf, dass Kommunen mit dieser Aufgabe zunehmend überfordert waren und sich ein überregionaler Arbeitsmarkt entwickelt hatte.

Missachtet werden damit auch internationale Erfahrungen. Vor etwa zehn Jahren begann man in den Niederlanden und in Großbritannien die Arbeitsvermittlung zu kommunalisieren. Inzwischen ist man davon aber wegen negativer Erfahrungen abgekommen

Was sagen die Gewerkschaften und Erwerbsloseninitiativen?

DIE LINKE steht mit ihrer Haltung nicht allein da. Der DGB lehnt eine „Ausweitung der Optionskommunen“ mit der Begründung ab, diese würde die bestehenden „Strukturprobleme weiter verschärfen“. Er fordert: „Der einheitliche Arbeitsmarkt darf nicht aus dem Blick geraten.“

Das Erwerbslosenforum kritisiert: „Mit der Ausweitung der Optionskommunen werden die Arbeitslosen zweiter Klasse für kommunale Eigeninteressen missbraucht werden und können sich wegen der Schaffung alter Sozialhilfestrukturen kaum auf bundeseinheitliche Rechtsauslegung verlassen. Damit wird die Entrechtung von Hartz IV- BezieherInnen im Grundgesetz zementiert.“ (Martin Behrsing, Sprecher und Geschäftsführer des Erwerbslosen Forum Deutschland). Auch die Bundesarbeitsgemeinschaft Prekäre Lebenslagen e.V. (BAG PLESA) eine „Dezentralisierung“ oder „Kommunalisierung“ sozialer Leistungen ab.

Sind Bestrebungen die Arbeitsverwaltung auf kommunaler Ebene in Eigenregie zu übernehmen nicht verständlich?

Uns ist bewusst, dass in mancher Kommune die Auffassung herrscht, die Sache lieber vor Ort selber in die Hand zu nehmen, um nicht der Politik der Bundesagentur in Nürnberg ausgeliefert zu sein. Angesichts der real existierenden Verhältnisse in der Bundesagentur ist eine solche Einstellung nachvollziehbar. Ferner erhoffen sich manche Kommunen finanzielle Vorteile. Denn laut Gesetzentwurf müssen sie nicht das gesamte Personal der Bundesagentur übernehmen und können so Personalkosten einsparen.

So verständlich der Ärger in mancher Kommune über die Bundesagentur ist, so wenig ist die Ausweitung der Optionskommunen die Lösung dieses Problems. Wir alle sollten uns vielmehr fragen: Ist es die Aufgabe der LINKEN den Wettbewerbsgedanken in der Umsetzung von Hartz IV zu befördern? Droht nicht bei einer weiteren Kommunalisierung ein Überbietungswettbewerb zwischen den Akteuren der Arbeitsmarktpolitik (z.B. um Lohnkostenzuschüsse)? Droht nicht am Ende sogar eine finanzielle Mehrbelastung für die Kommunen, wenn der Bund im Rahmen seiner Sparpolitik die entsprechenden Haushaltsmittel kürzt? Ist es wirklich sachgerecht, dass im Fall der Optionskommunen der Bund zahlen soll, aber weder die Fach- noch die Rechtsaufsicht hat, also im Klartext kaum etwas zu sagen hat?

Wir können uns aber auch nicht mit dem Status Quo zufrieden geben. Im Zuge der Hartz-Gesetze wurde aus dem Arbeitsamt eine Agentur, in der alles betriebswirtschaftlich organisiert mit dem primären Ziel der Kosteneinsparungen ablaufen soll. Auf der Strecke geblieben sind dabei der sozialpolitische Auftrag und die innerbetriebliche Demokratie. Wir als Linke sagen: Die Bundesagentur muss wieder demokratisiert werden, und sie muss ihren sozialpolitischen Auftrag wahrnehmen.

Fazit

DIE LINKE bleibt dabei: Es ist falsch, die Arbeitsverwaltung auf die Kommunen zu übertragen. Erwerbslosigkeit ist ein gesamtgesellschaftliches Problem und darf nicht auf die Kommunen abgewälzt werden.

Die Fraktionsvorsitzendenkonferenz der Bundestags- und Landtagsfraktionen hat deshalb am 22 April 2010 beschlossen: „Eine bundesweit einheitliche Vermittlung, Betreuung und Förderung aller Erwerbslosen setzt eine einheitliche Organisation voraus. Zuständig dafür ist die Bundesagentur für Arbeit. Die Linke lehnt deshalb die Schaffung weiterer Optionskommunen ab.“