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Mitbestimmung von Betriebsräten in der Covid-19-Krise umfassend sichern

Positionspapier,

Betriebsräte werden in Zeiten der Corona-Krise umso mehr gebraucht. Sie sind es, die die Interessen der Beschäftigten gegenüber dem Arbeitgeber vertreten und die Einhaltung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes prüfen. Sie sind es, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Fragen rund um Kurzarbeit und Gesundheitsschutz im Betrieb beantworten. Und sie sind es, die für die Akzeptanz möglicher drastischer Maßnahmen im Betrieb, mit denen die Verbreitung des Virus verlangsamt werden soll, bei den betroffenen Beschäftigten sorgen können.

Arbeitskreis I

Arbeit, Soziales und Gesundheit
Fraktionsbeschluss vom 21. April 2020

verantwortlich Jutta Krellmann, AG Arbeit


Auf einen Blick:

  • Auch in der Krise gilt: Arbeitgeber haben weiterhin die Pflicht, Arbeitnehmervertretungen vor Durchführung von Maßnahmen ordnungsgemäß zu beteiligen und bei Nichteinigung die gesetzlich vorgesehenen Beteiligungsverfahren durchzuführen. 
  • Jetzt keine dauerhaften Änderungen des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG).
  • Es ist eine zeitlich begrenzte Übergangsvorschrift im BetrVG aufzunehmen, so dass in Ausnahmefällen Beschlussfassungen von Betriebsräten und Beschlüsse der Einigungsstelle mittels Telefon- oder Videokonferenz für zulässig erklärt werden können.
  • Laptop, Handy und der Zugang mit einer unternehmenseigenen E-Mail-Adresse in das Intranet müssen nach § 40 Abs. 2 BetrVG als erforderliche Sachmittel zählen. 
  • Betriebsräte müssen in der Krise die Möglichkeit erhalten, sachverständige Berater ihrer Wahl zu ihrer Unterstützung hinzuziehen, ohne dass dies einer näheren Vereinbarung nach § 80 Abs. 3 BetrVG mit dem Arbeitgeber bedarf
  • Auch bei Kurzarbeit müssen anfallende Überstunden von Betriebsratsmitgliedern, die Teilzeit arbeiten, vergütet werden.

Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bleiben bei Eilfällen, also auch in Zeiten der Corona-Pandemie, bestehen. Sie dürfen weder eingeschränkt noch ausgesetzt werden. Betriebsräte müssen direkt in die Planung mit einbezogen werden, um der gebotenen Eile der Krise gerecht zu werden. Die Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte gewährleisten eine demokratische Legitimation aller Handlungen, auf die gerade in Krisenzeiten nicht verzichtet werden kann.

Angriffe auf die betriebliche Mitbestimmung, wie sie gerade zu beobachten sind, müssen systematisch abgewehrt werden. Die Covid-19-Krise darf nicht als Türöffner für Arbeitgeberinteressen genutzt werden und die betriebliche Mitbestimmung schwächen. Die Stellungnahme des DAV (Deutscher Anwalt Verein) mit der Überschrift „zu der Notwendigkeit, die Handlungsfähigkeit der Betriebspartner in der aktuellen Krise zu gewährleisten“ zeigt, dass die Pandemie auch genutzt werden soll, um Tatsachen zu schaffen. Gefordert wird unter anderem eine dauerhafte Änderung im BetrVG zu der Beschlussfähigkeit von Betriebsräten. Zudem soll die betriebliche Mitbestimmung bei personellen Maßnahmen während der Covid-19 Pandemie aufgehoben werden. Eine Novellierung des BetrVG darf jedoch nur im Normalverfahren durchgeführt werden. Es bedarf einer gründlichen Beratung der Abgeordneten und der Anhörung von Sachverständigen. Anpassungen des BetrVG im Rahmen der Covid-19-Krise müssen deshalb zeitlich begrenzt erfolgen und somit nur in dieser Ausnahmesituation Geltung haben und die betriebliche Mitbestimmung nicht einschränken.

Forderungen der Fraktion DIE LINKE im Bundestag:

  1. Viele Tätigkeiten des Betriebsrates erfordern die Präsenz der beteiligten Personen: etwa Beschlussfassungen des Betriebsrats (§ 33 BetrVG) und der Einigungsstelle (§ 76 BetrVG), Sitzungen des Wirtschaftsausschusses (§108 BetrVG) oder Betriebsratswahlen (§ 24 WO). Das hat gute Gründe. Themen müssen zum Teil vertraulich besprochen werden, ohne dass der Arbeitgeber Einfluss nehmen kann. Präsenzsitzungen ermöglichen den persönlichen Austausch der Betriebsratsmitglieder untereinander. Mimik, Gestik, Körpersprache, vieles sind ein Teil der Kommunikation, die in der virtuellen Welt verloren geht. Bei Telefon- und Videokonferenzen besteht zudem die Gefahr abgehört zu werden oder dass unbefugte Personen sich im „Sitzungsraum“ befinden. Deshalb dürfen diese Kommunikationswege nur das letzte Mittel sein, um Absprachen und Abstimmungen ohne persönliche Anwesenheit zu ermöglichen.
    1. Wir fordern als rechtsichere Möglichkeit, zeitlich begrenzte Übergangsvorschriften im BetrVG aufzunehmen. So soll in Ausnahmefällen wie der Corona-Pandemie ermöglicht werden, dass Beschlussfassungen von Betriebsräten und Beschlüsse der Einigungsstelle mittels Telefon- oder Videokonferenz unter bestimmten Umständen zulässig sind – etwa bei Gefahr für Gesundheit und Leben oder wenn wegen behördlicher Anordnungen Betriebsratssitzungen nicht möglich sind.
    2. Die Gründung eines Betriebsrates und die demokratische Teilhabe in den Betrieben müssen weiter möglich sein. Die WO geht in § 24 BetrVG vom Primat einer Präsenzwahl aus. Es muss klargestellt werden, dass der Wahlvorstand als gewähltes bzw. bestelltes Gremium, dem nach § 1 WO die Leitung der Wahl obliegt, auch souverän darin ist, das Wahlverfahren auf die Besonderheiten der aktuellen Lage anzupassen und z.B. die schriftliche Stimmabgabe für den gesamten Betrieb zu beschließen. 
    3. Der Austausch zwischen dem Betriebsrat und den Beschäftigten ist in einer Krise umso wichtiger: Beschäftigte wollen ihre Sorgen mitteilen, Betriebsräte das weitere Vorgehen mit den Beschäftigten absprechen. Ist Präsenz aus gegebenem Anlass nicht möglich, müssen Betriebsversammlungen auch per Videokonferenz durchzuführen sein. Der Arbeitgeber muss diese Kommunikation zwischen Betriebsrat und Belegschaft ermöglichen. Es ist klarzustellen, dass der Arbeitgeber im Rahmen seiner Kostentragungspflicht aus § 40 BetrVG die Kosten entsprechender Hard- und Software zu tragen hat, sofern das Gremium dieses Vorgehen beschließen sollte. Auch hier gilt: Betriebsversammlungen mittels Videokonferenz sind nur unter bestimmten Umständen zulässig - etwa bei Gefahr für Gesundheit und Leben oder wenn wegen behördlicher Anordnungen Betriebsratssitzungen nicht möglich sind. Hierbei muss klargestellt werden, dass Anlass solcher Ausnahmen nur das letzte Mittel der Wahl darstellen.
  2. Auch Betriebsräten muss Homeoffice ermöglicht werden. Da viele Arbeitgeber das nicht einsehen, bedarf es einer gesetzlichen Klarstellung, dass nach § 40 Abs. 2 BetrVG ein Laptop, ein Handy und der Zugang mit einer unternehmenseigenen E-Mail-Adresse in das Intranet und damit der Kontakt zu den Beschäftigten unter erforderliche Sachmittel fallen. 
  3. Gesundheitsschutz, Kurzarbeit, Vorschläge zur Sicherung von Beschäftigung sowie weitere zentrale Anforderungen an die Betriebsräte erfordern fachkundige Expertise. Um rasch in wichtigen mitbestimmungspflichtigen Fragen die notwendigen Beratungskompetenzen nutzen zu können, ist in Krisen wie der Corona-Pandemie eine Beschleunigung der Einigung mit dem Arbeitgeber über die Heranziehung eines bestimmten Sachverständigen sowie dessen Arbeitsauftrag und Bezahlung zu ermöglichen. Dafür müssen Betriebsräte die Möglichkeit erhalten, sachverständige Berater ihrer Wahl zu ihrer Unterstützung hinzuziehen, ohne dass dies einer näheren Vereinbarung mit dem Arbeitgeber bedarf. 
  4. Grundsätzlich gilt bei der Entlohnung von Betriebsratsmitgliedern dasselbe, wie für alle anderen Beschäftigten. Da Kurzarbeit jedoch nicht zur Einschränkung der betrieblichen Mitbestimmung führen darf, haben Betriebsratsmitglieder für Betriebsratstätigkeiten außerhalb ihrer Kurzarbeit Anspruch auf ihre normale Vergütung. Allerdings verlieren Teilzeitbeschäftigte bei Kurzarbeit den Anspruch auf Bezahlung der Überstunden. Dies muss gesetzlich geändert werden, damit auch in Zeiten von Corona die Beschäftigten bestmöglich vertreten werden.