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Mehr Netto ohne mehr Brutto?

Positionspapier,

Selbst die eigenen Analysen der SPD zeigen, dass das Problem sinkender Realeinkommen der unteren und mittleren Einkommensgruppen nicht in erster Linie in einer hohen Abgabenbelastung besteht, sondern in den stagnierenden Bruttoeinkommen. Laut Grafik auf der letz-ten Seite sind die Sozialabgaben seit 1999 beständig gesunken. Trotzdem haben die Leute nicht mehr Geld in der Tasche. Deshalb müssen vor allem die Bruttoeinkommen wieder steigen.

Zum Vorschlag der SPD, die Sozialabgaben zu senken zur Entlastung der niedrigen und mittleren Einkommen

I. Stellenwert:

Zu ihrem Zukunftskonvent am 31. Mai 2008 hat die SPD unter dem Titel „Konsolidieren - Investieren - Entlasten. Orientierungspunkte der SPD für ein integriertes Steuer- und Abgabensystem eines sozialen Deutschlands“ Vorschläge zur Entlastung der unteren und mittleren Einkommen vorgelegt. Damit versucht sie gegenüber den Steuersenkungsplänen der CSU und Teilen der CDU („Mehr netto vom Brutto!“) in die Offensive zu kommen und sich dabei gleichzeitig als Hüterin der Staatsfinanzen und Anwältin der unteren und mittleren Schichten zu profilieren. Die Entlastung dieser soll statt über Steuersenkungen über die Senkung der Sozialabgaben erfolgen. Hohe Einkommen, Vermögen und Erbschaften sollen dagegen höher besteuert und die soziale Sicherung stärker über Steuern finanziert werden. Die „Orientierungspunkte“ sind in Verbindung mit dem ebenfalls Ende Mai vorgelegten Papier „Aufstieg und Gerechtigkeit. Impulse für Deutschlands Zukunft“ zu sehen, das Grundlage für das Bundestagswahlprogramm der SPD sein wird und von dem die Vorschläge für ein integriertes Steuer- und Abgabensystem einen wichtigen Teil bilden.

II. Kernaussagen:

Diagnose der SPD:
  • Für Menschen im unteren und mittleren Einkommensbereich sind Sozialabgaben ein weitaus größeres Problem als die steuerliche Belastung. Eine Senkung der Sozialabgaben hilft ihnen daher mehr als Steuersenkungen. Dies wird anhand umfangreicher Grafiken und Tabellen im Anhang verdeutlicht.
  • Durch SPD-Politik hat es bereits eine umfassende steuerliche Entlastung vor allem der unteren Einkommen gegeben (Senkung des Eingangssteuersatzes von 25,9 auf 15%, lediger Durchschnittsverdiener hat heute 65,7% seines Arbeitslohns zur Verfügung, 1998 nur 60,2%. Schon heute zahlt eine Familie mit zwei Kindern unter Berücksichtigung des Kindergelds bis zu 37.610 € Jahreseinkommen keine Einkommenssteuer, dafür aber 7.300 € Sozialversicherungsabgaben). Durch die Reformen der letzten Jahre und die verstärkte Steuerfinanzierung konnte die Sozialabgabenquote bereits von 42,1% im Jahr 1998 auf heute rund 39% gesenkt werden.
  • Die kalte Progression wird überschätzt. Sie macht bei einem alleinverdienenden Durchschnittsverdiener im Monat 1,50 Euro aus. „Im Kern zielt die Diskussion der kalten Progression nicht auf eine Entlastung der Bürger sondern eine Schwächung des Staates“ (S. 8).
  • mehr Netto ohne mehr Brutto geht zu Lasten eines handlungsfähigen Staates. Deutschland hat mit 22% bereits eine der niedrigsten Steuerquoten unter den Industrienationen. Arbeitnehmer/innen und Rentner/innen, die heute schon keine Steuern mehr zahlen, werden durch Steuersenkungen nicht entlastet. Finanzpolitisch keine Handlungsspielräume für Steuersenkungen vorhanden.


Ziele und Maßnahmen der SPD:

  • Kernziel: Sozialleistungen stärker über Steuern finanzieren, um Sozialabgaben senken zu können, ohne dabei das Leistungsniveau der sozialen Sicherungssysteme zu reduzieren. Senkung der Sozialabgaben auf unter 36% im Laufe des nächsten Jahrzehnts.
  • Konsolidierung bleibt vorrangiges Ziel. Erst wenn die Haushaltslage es zulässt, können die Sozialabgaben gesenkt werden. Die Handlungsfähigkeit des Staates soll wieder hergestellt werden, um die „Konsolidierungsdividende“ für Zukunftsinvestitionen in Bildung (3% vom BIP), Infrastruktur (v.a. Kinderbetreuung) und Forschung stecken zu können. SPD-Motto für Generationengerechtigkeit: „Mehr Netto für unsere Kinder!“
  • Die strukturelle Unterfinanzierung des Staates lässt sich nicht allein durch Ausgabenbegrenzungen beheben. Es fehlen zuverlässige Mehreinnahmen.
  • Deshalb: gerechte Besteuerung großer Vermögen und Erbschaften sowie hoher Einkommen. Die Wiedereinführung der Vermögenssteuer soll allerdings lediglich geprüft werden. Hinsichtlich der Erbschaftssteuer wird auf den vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung und die realistischere Bewertung des Grund- und Immobilienvermögens verwiesen. Hohe Einkommen sollen dadurch stärker herangezogen werden, dass die Einkommensgrenzen für die „Reichensteuer“ halbiert werden (125.000 Euro für eine/n Alleinstehende/n bzw. 250.000 Euro für Verheiratete statt bisher 250.000 bzw. 500.000 Euro). Außerdem soll das Steuerrecht vereinfacht und besser durchgesetzt werden, z.B. durch eine Optimierung der Steuerfandung und verstärkte Betriebsprüfungen.

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