Zum Hauptinhalt springen

Fusion der Organisationen der technischen Zusammenarbeit

Positionspapier von Heike Hänsel,

Die Wirksamkeit der deutschen Entwicklungszusammenarbeit muss erhöht werden. Auch wenn sich die Frage nach der Wirksamkeit nicht in erster Linie institutionell, sondern letztlich nur politisch – nämlich mit entwicklungspolitischer Kohärenz – beantworten lässt: Die Neuordnung der Institutionen der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit könnte einen Beitrag zu einer wirksameren Entwicklungspolitik leisten. Die Fraktion DIE LINKE im Bundestag hat die Fusion der Organisationen der Technischen Zusammenarbeit, GTZ, DED und InWEnt, deshalb grundsätzlich unterstützt. Am konkreten Verlauf der Fusion bislang hat die Fraktion DIE LINKE allerdings erhebliche Kritik.

Arbeitskreis VII
Internationale Politik
AG Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
verantwortlich: Heike Hänsel, entwicklungspolitische Sprecherin
22. Oktober 2010

 

I. Bewertung des bisherigen Fusionsprozesses

Die Wirksamkeit der deutschen Entwicklungszusammenarbeit muss erhöht werden. Auch wenn sich die Frage nach der Wirksamkeit nicht in erster Linie institutionell, sondern letztlich nur politisch – nämlich mit entwicklungspolitischer Kohärenz – beantworten lässt: Die Neuordnung der Institutionen der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit könnte einen Beitrag zu einer wirksameren Entwicklungspolitik leisten. Die Fraktion DIE LINKE im Bundestag hat die Fusion der Organisationen der Technischen Zusammenarbeit, GTZ, DED und InWEnt, deshalb grundsätzlich unterstützt. Am konkreten Verlauf der Fusion bislang hat die Fraktion DIE LINKE allerdings erhebliche Kritik:

  1. Zu einer Fusion auf Augenhöhe, wie sie zu Beginn des Fusionsprozesses angekündigt worden war, ist es nicht gekommen. Unklar bleibt, welchen Stellenwert die Instrumente von DED und InWEnt innerhalb der neuen Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (DGiZ) bei der Vereinigung unter dem Rechtsmantel der GTZ tatsächlich haben werden. Infolge der Beschleunigung des Prozesses durch das Ministerium und die Geschäftsführungen der drei Organisationen wurden viele Debatten, die zu Beginn des Fusionsprozesses noch offen geführt werden sollten (über Standorte und Hauptsitz, über die Verschmelzung in der GTZ oder als neue Organisation, etc.) sehr schnell abgewürgt.
    Zugunsten eines schnellen politischen Erfolgs blieb die inhaltliche Auseinandersetzung über entwicklungspolitische Ziele oder die Identität der neu zu schaffenden Organisation auf der Strecke.
  2. Mit Begriffen wie „Effizienzsteigerung“, von der seitens des Entwicklungsministers im Rahmen der Fusion immer wieder die Rede ist, werden verstärkt betriebswirtschaftliche Maßstäbe in die deutsche Entwicklungszusammenarbeit eingeführt und ihr marktförmiger Umbau vorangetrieben. Die angekündigte Ausschreibung von Sektorvorhaben und die Stärkung privater Consultants über die Vergabe von Unteraufträgen stehen dafür beispielhaft. Die Interessen der deutschen Wirtschaft an der Entwicklungszusammenarbeit werden im Kabinettsbeschluss zur Fusion ausführlich gewürdigt, während die Armutsbekämpfung als zentrales entwicklungspolitisches Ziel mit keinem Wort erwähnt wird. Die Fraktion DIE LINKE lehnt es ab, aus der Entwicklungspolitik einen Entwicklungsmarkt zu machen, auf dem die staatliche Entwicklungszusammenarbeit, private Träger und Unternehmen um die lukrativsten Bereiche der Entwicklungszusammenarbeit konkurrieren.
  3. Eine engagierte Entwicklungspolitik braucht motivierte MitarbeiterInnen. Der Liberalisierung in Struktur und politischer Ausrichtung entspricht aber leider auch eine Liberalisierung nach innen. Der angekündigte Überleitungstarifvertrag, der bereits vor der Fusion mit der Verdi-Tarifkommission und den VertreterInnen der drei Belegschaften ausgehandelt und in dessen Rahmen die Überleitung sozialer Standards geregelt werden sollte, wird offenbar von der Arbeitgeberseite und dem Ministerium verschleppt. Die Fraktion DIE LINKE kritisiert außerdem, dass für die neue Organisation kein Tarifvertrag nach TvÖD, sondern ein Haustarifvertrag angestrebt wird.

 

II. Die Fraktion DIE LINKE fordert:

  1. Die Arbeit der neuen Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (DGiZ) muss aus Sicht der Fraktion DIE LINKE auf Armutsreduzierung, Beseitigung des Hungers, selbstbestimmte Entwicklung, Ernährungssouveränität, Klimaschutz sowie den Aufbau sozialer Sicherungssysteme ausgerichtet sein – und nicht auf Außenwirtschaftsförderung für deutsche Unternehmen oder die Absicherung von militärischer Besatzung wie in Afghanistan.
  2. Die Wirkung der Maßnahmen im Interesse der Partner muss im Mittelpunkt stehen und nicht die Profitabilität („Effizienz“) des Unternehmens DGiZ oder privater Konkurrenten. Wir lehnen die vorgesehene offene Ausschreibung kompletter Vorhaben ab.
  3. Die Fusion muss einhergehen mit der Debatte über entwicklungspolitische Ziele und einer Selbstverständnisdebatte der Organisation unter Einbeziehung der Belegschaften. Die Instrumente von DED und InWEnt müssen in der neuen Organisation erhalten und gestärkt werden.
  4. Die im Kabinettsbeschluss erwähnte „Personalrendite“ darf nicht darauf hinauslaufen, dass Arbeitsplätze abgebaut werden bzw. befristete Stellen auslaufen. Wir fordern die Aushandlung eines Überleitungstarifvertrages vor der Fusion und die umgehende Benennung der Verhandlungspartner auf der Arbeitgeberseite, die Aushandlung eines (flächendeckenden) TVöD statt eines Haustarifvertrages für die neue Gesellschaft; außerdem: Wahrung der sozialen Besitzstände der abhängig Beschäftigten, keine betriebsbedingten Kündigungen und Überführung von befristeten Verträgen in unbefristete Anstellungen.
  5. Die neue DGiZ muss der parlamentarischen Mitwirkung durch alle im Bundestag vertretenen Fraktionen zugänglich sein. Das heißt ganz klar: Die Fraktion DIE LINKE beansprucht einen Sitz im neuen Aufsichtsrat. Dazu muss die Zahl der für den Bundestag vorgesehenen Sitze im Aufsichtsrat auf fünf erhöht werden. Die parlamentarische Mitwirkung muss eine fachpolitische, keine rein haushalterische sein. Wir fordern, dass die VertreterInnen der Fraktionen im Aufsichtsrat aus dem Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung bestellt werden.
  6. Die Herstellung entwicklungspolitischer Kohärenz muss sich an entwicklungspolitischen Zielsetzungen orientieren und darf nicht zu einer Unterordnung der Entwicklungszusammenarbeit unter wirtschaftliche und geopolitische Interessen führen. Die Wahrnehmung entwicklungspolitischer Mitverantwortung durch andere Politikressorts muss über die frühe Einbeziehung des BMZ in Gesetzesvorhaben anderer Ministerien sowie durch fortlaufende entwicklungspolitische Wirkungsbeobachtung durchgesetzt werden.

 

III. Eine andere Entwicklungspolitik

Im Mittelpunkt der Entwicklungszusammenarbeit muss die Befreiung der Menschen von Hunger und Armut, Unterdrückung und Ausbeutung stehen – und der Respekt für die selbstbestimmte Entwicklung der Menschen im Süden. Sie muss entwicklungsförderliche strukturelle Rahmenbedingungen schaffen, soziale Sicherheit und regionale Kooperation fördern. Nicht die deutschen Beraterinnen und Berater, sondern die Menschen vor Ort selbst wissen am besten, wie sie ihre Gesellschaften weiterentwickeln wollen und können. Lokales, auch indigenes, Wissen ist bei der Planung, Durchführung und Evaluierung von Entwicklungsmaßnahmen vorrangig einzubeziehen. Entwicklungszusammenarbeit muss lokales Wissen und lokale Kompetenzen nutzen und durch den Transfer von Know-how und Technologien stärken.

Wirtschaftliche und geopolitische Interessen dürfen keine Motive der Entwicklungszusammenarbeit sein. Kohärenz heißt nicht: Was gut für die deutsche Wirtschaft ist, ist auch gut für die Entwicklung; sondern es heißt umgekehrt: Agrar-, Energie-, Finanz-, Handels-, Klima- und Wirtschaftspolitik müssen so gestaltet sein, dass sie die Lebenssituation der Menschen des globalen Südens verbessern, soziale Sicherheit schaffen und somit zur Vermeidung von Konflikten beitragen. Stattdessen wird die Entwicklungspolitik jedoch immer stärker genutzt, um die Folgen einer verfehlten und Interessengeleiteten Agrar-, Energie-, Finanz-, Handels-, Klima- und Wirtschaftspolitik zunehmend auch sicherheitspolitisch einzudämmen. Auch der Aufbau von Trainingszentren für Polizei und Militär des globalen Südens leistet keinen Beitrag zum Frieden, sondern trägt vielmehr zur Eskalation sozialer Konflikte bei. Die neue Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (DGiZ) hingegen sollte eine entwicklungspolitische Ausrichtung verfolgen, die aktive Friedenspolitik beinhaltet. Das Konzept der Vernetzten Sicherheit lehnen wir ab, da es einer solchen Ausrichtung im Wege steht und die Unterordnung der Entwicklungspolitik unter wirtschaftliche und geopolitische Interessen befördert.