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Die milliardenschwere Riesterfalle

Positionspapier,

Die ARD-Sendung »Monitor« titelt am 10. Januar: „Arm trotz Riester: Sparen fürs Sozialamt“. Schröders ehemaliger Sozialminister Riester ist empört. DIE LINKE sieht in der Riesterrente eine Demontage der gesetzlichen Rentenversicherung.

Bundesregierung fördert private Altersvorsorge von Besserverdienenden in Milliardenhöhe und lockt Geringverdienende in untaugliche Riesterrente

Kommentar zum Bericht des ARD-Magazins Monitor vom 10. Januar 2008

Im Zentrum der aktuellen Debatte um die Riesterrente steht die Regelung, dass bei der Grundsicherung im Alter grundsätzlich alle Einkommen angerechnet werden. Hierzu zählen auch die gesetzliche Rente und die private Altersvorsorge. Dieser Umstand ist jedoch weder ungewöhnlich noch neu, denn bei der Grundsicherung handelt es sich um die Gewährleistung eines Existenzminimums. Die Debatte lenkt von dem eigentlichen Problem des sinkenden Rentenniveaus ab. Interessanterweise sind es dieselben Personen, die seit einigen Jahren die Privatisierung der Alterssicherung vorangetrieben haben (Prof. Rürup). Heute geriert sich der ehemalige Brandstifter als Feuerwehrmann, wenn er darauf hinweist, was er immer schon wusste: die Riesterrente wird auf die Grundsicherung angerechnet und lohnt sich deswegen gerade für Geringverdiener nicht.

Das aktuelle System der Förderung von privater Vorsorge wird von der Bundesregierung propagiert und soll bis 2009 mit einem zweistelligen Milliardenbetrag gefördert werden. Ab dem Jahr 2009 kommen nach Schätzungen der Bundesregierung jährliche Steuerausfälle in Höhe von 12,5 Mrd. Euro hinzu (Zeit online 2/2008).Die Bundesregierung fordert dabei insbesondere Niedriglohnverdiener auf, sich privat über eine Riester-Rente abzusichern. Sie behauptet sogar, dass sie mit dieser „Zulagenförderung bewusst ein Instrument geschaffen habe, von dem gerade Geringverdiener profitieren“ (DrS 16/6898). Diese Behauptung kann so nicht getroffen werden. Getäuscht werden gerade derjenigen, die von Altersarmut bedroht sind. Zudem führt die Milliardenförderung zu perversen Effekten: durch die öffentliche Förderung werden die Finanz- und Versicherungswirtschaft und die Besserverdienenden unterstützt. Geringverdienende zahlen jedoch vielfach in ein System ein, aus dem sie nichts rausbekommen. Nutznießer sind neben den Anbietern der Riesterprodukte die öffentlichen Haushalte, deren Leistungen für die Grundsicherung im Alter sich entsprechend reduzieren.

Das Grundproblem der Alterssicherung in Deutschland ist die Absenkung des Leistungsniveaus in der Gesetzlichen Rentenversicherung - GRV- durch die rot-grünen und rot-schwarzen Rentenreformen der letzten Jahre. Ziel der Reformen war die Absenkung des Leistungsniveaus in der gesetzlichen Rente zur Stabilisierung des Beitragssatzes, damit Arbeitgeber die Lohnnebenkosten gering halten können. Die Reduktion des Leistungsniveaus in der GRV soll individuell kompensiert werden über den Aufbau einer privaten Zusatzversicherung, die bei der Riesterrente in Milliardenhöhe staatlich gefördert wird. Faktisch wurden die Kosten für die Alterssicherung durch die Riester-Reform teilprivatisiert; eine Beteiligung der Arbeitgeber findet hier nicht mehr statt.

Die Voraussetzungen, um überhaupt eine gesetzliche Rente jenseits des Grundsicherungsniveaus erreichen zu können, steigen damit erheblich an. Die Anzahl der notwendigen Jahre an Beitragszahlungen, um eine Nettorente in Höhe der Grundsicherung zu erreichen, steigt von 28 Jahre für den Durchschnittsverdiener heute auf 34 Jahre in 2030, für eine Person mit 75% der Durchschnittsverdienstes von 37 auf 45 Jahre (Zahlen: Johannes Steffen, Arbeitnehmerkammer Bremen). Die Rentenreformen (Einführung der Dämpfungsfaktoren in die Rentenformel durch Riester- und Schmidtreform) führen also unmittelbar dazu, dass zunehmend erwerbstätige BeitragszahlerInnen keine Rente oberhalb des Grundsicherungsniveaus mehr bekommen. Arbeitslosigkeit, prekäre Beschäftigung und Niedriglöhne mindern zudem die Beitragszahlungen in die GRV.

Hier ist der primäre Ansatzpunkte für politische Reformen: das Niveau der öffentlichen Alterssicherung muss gestärkt werden (Lebensstandardsicherung), indem die Renten wieder der Lohnentwicklung folgen. Innerhalb des gesetzlichen Rentensystems sind weiter Lücken zu schließen (Erwerbstätigenversicherung) sowie Maßnahmen des Sozialausgleichs zu etablieren und zu stärken, damit auch Menschen mit unterbrochenen Erwerbsbiografien oder niedrigen Löhnen über ausreichende Rentenansprüche verfügen. Die Gelder zur Subventionierung der privaten Altersversicherung sollten in die Gesetzliche Rentenversicherung fließen, um dort die Rentenpunkte der Geringverdiener gezielt anzuheben, damit sie im Alter nicht auf eine Grundsicherung angewiesen sind. Wichtig für die Vermeidung von zukünftiger Altersarmut ist zudem eine Zurückdrängung der Niedriglohnbeschäftigung über einen garantierten Mindestlohn.

Ein Vorschlag zum Umgang mit dem Problem besteht jedoch darin, dass eine partielle Anrechnungsfreiheit für private und betriebliche Altersvorsorge gefordert wird. Bezeichnenderweise wird diese Forderung aber nicht auf die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung erweitert. Ziel hierbei ist es, die private Altersvorsorge gegenüber der gesetzlichen Rente zu privilegieren. Der Teufel soll mit dem Belzebub ausgetrieben werden. Die Stossrichtung des Vorschlags ist klar: es geht um die weitere Zerstörung der Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung und letztendlich um deren Demontage.