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Zuzahlungen - Gesundheitsschädigend, sozial ungerecht und kostentreibend

Nachricht von Martina Bunge,

Die Fraktion DIE LINKE fordert in einem Antrag, die Praxisgebühr und andere Zuzahlungen abzuschaffen. Dazu fand am 13. April 2011 eine Anhörung des Gesundheitsausschusses statt. Das Ergebnis: Die angestrebte Steuerungswirkung gibt es nicht. Patientinnen und Patienten schieben notwendige Behandlungen auf und nehmen wichtige Medikamente nicht ein. Dadurch werden Krankheitsverläufe negativ beeinflusst. Zuzahlungen, die auf stationäre Behandlungen, Arzneimittel oder andere ärztlich verordnete Leistungen erhoben werden, können von Patientinnen und Patienten kaum selbst gesteuert werden. Hier mit Zuzahlungen „Eigenverantwortung“ einzufordern, ist widersinnig.

Zudem wurde die Verteilungswirkung von Zuzahlungen genauer unter die Lupe genommen. Menschen mit geringem Einkommen zahlen für ein Arzneimittel den gleichen Betrag wie ein Gutverdiener. Da sozial benachteiligte Menschen häufiger krank sind, tragen Zuzahlungen doppelt zur Entsolidarisierung bei. Vertreterinnen und Vertreter von Beratungsstellen schilderten eindrücklich, wie auch die Belastungsgrenze von bis zu 2 Prozent einen erheblichen Teil des verfügbaren Einkommens ausmachen kann. Die Beantragung einer Zuzahlungsbefreiung wurde als bürokratisch und kompliziert geschildert. Vor allem ältere Menschen sind hier überfordert und müssen daher auf den ihnen zustehenden Erlass von Zuzahlungen verzichten.

Selbst das naheliegendste Argument für Zuzahlungen wurde in der Anhörung in Frage gestellt: Bringen Zuzahlungen den Krankenkassen überhaupt Mehreinnahmen? Dr. Dr. Jens Holst, einer der erfahrendsten Forscher auf dem Gebiet der Zuzahlungen, stellte die Überlegung in den Raum: Überwiegen Einnahmen durch Zuzahlungen tatsächlich die Kosten für Bürokratie und zusätzlichen Behandlungsbedarf durch verschleppte Krankheiten und nachlassender Therapietreue? Das lässt sich nach den international verfügbaren Studien mit Fug und Recht bezweifeln – häufig erhöhen Selbstbeteiligungen die Ausgaben, anstatt die Kosten zu dämpfen.

Zum Schluss waren die Positionen klar: Während Vertreterinnen und Vertreter von Gewerkschaften, Sozialverbände, Patientenorganisationen und Forschung die linke Forderung nach Abschaffung von Zuzahlungen befürworteten, plädierten die Vertreterinnen und Vertreter von Arbeitgebern, der Ärzte- und Zahnärzteschaft und der Krankenhausträger für eine Beibehaltung oder gar Anhebung von Zuzahlungen.

Für DIE LINKE steht fest: Zuzahlungen sind eine Kopfpauschale für Kranke. Sie sind unsozial und entfalten keine erwünschte Steuerungswirkung. Sie gehören abgeschafft. Die vermutlich kurzfristigen Mindereinnahmen können durch eine Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze auf das Niveau der Rentenversicherung (West) gegenfinanziert werden. So wird das Solidarprinzip an zwei wesentlichen Stellschrauben gestützt und weiter ausgebaut.