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Zur Situation der Solo-Selbständigen - Das Elend steckt im Detail

Im Wortlaut von Diether Dehm,

Von Diether Dehm, Sprecher für Mittelstandspolitik der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag




Zwischen 1991 und 2010 stieg die Zahl der Selbstständigen von 3,037 Millionen auf 4,259 Millionen und der Anteil der Solo-Selbstständigen unter ihnen von 45,5 Prozent auf 56 Prozent. Was erst einmal eine gute Nachricht zu sein scheint, entpuppt sich bei Betrachtung einer weiteren Zahl als Skandal: Denn zwischen 2005 bis 2010 hat sich die Zahl der Grundsicherung beziehenden Selbstständigen verdreifacht. Zum Vergleich: Bei vormals abhängig Beschäftigten ALG II-Beziehern stieg der Anteil "nur" um 55 Prozent. Demnach wagten in den vergangenen Jahren viele Menschen den Schritt in die Selbständigkeit, aber immer mehr unter ihnen können sich nicht von ihrer Hände Arbeit ernähren.

Das Ergebnis ist, dass cirka eine Million der selbstständig Tätigen (23,48%) inzwischen mit einem monatlichen Einkommen von unter 1.100 Euro auskommen muss, unter ihnen 28,8 Prozent Solo- Selbstständige. 270.000 der Selbständigen verdienen sogar weniger als 500 Euro monatlich, davon überwiegend Solo-Selbstständige, Frauen und in der Kultur- und Kreativwirtschaft tätige. So verdienen Selbstständige im Kreativbereich etwa 25 Prozent weniger als Angestellte. Durchschnittlich erzielen Solo-Selbstständige cirka 60 Prozent des Einkommens von Selbstständigen, weshalb immer mehr von ihnen zusätzlich zum Einkommen aus selbstständiger  Erwerbstätigkeit aufstockende staatliche Leistungen beziehen müssen.

In die Selbständigkeit gedrängt

Bis zur Jahrtausendwende sah die Situation für individuell-selbstständiges Unternehmertum gar nicht mal so schlecht aus. Viele Großunternehmen waren selbst noch innovativ und es gab für die Kleinen genügend Spielraum, um strukturelle und kapazitive Möglichkeiten in der Wirtschaft zu nutzen.

Mit der politisch geförderten Veränderung der Geschäftsmodelle von Banken und deren neuem Fokus auf den Shareholder Value aber wurde die Profitmaximierung nicht mehr durch Förderung der Realwirtschaft, sondern durch Spekulationstätigkeit zu erreichen gesucht. Das brachte zunächst viele Großunternehmen in Bedrängnis.

Gemeinsam mit der Politik suchten diese Wege, das kleinteilige Wirtschaftspotenzial weiter an sich zu binden und gleichzeitig den eigenen Profit über "Kosteneffizienz"  zu sichern.
Viele vormals Festangestellte wurden in die Selbständigkeit gedrängt, große Unternehmen entließen einfach ihre Mitarbeiter, nur um sie gleich darauf als selbständige Ich-AG‘ler, die das Unternehmen weniger kosten und alle Risiken ihrer sozialen Absicherung allein zu tragen haben, wieder anzustellen. Ganze Abteilungen und Produktionsschritte wurden auf diese Weise "outgesourct". Aber auch für die restliche Belegschaft war das der Anfang vom Ende einer paritätischen Finanzierung der Sozialkassen, ihre Tarifabschlüsse fielen magerer aus und die tarifliche Bindung wurde in der Breite zurückgefahren. Neu hinzu kam  noch das auf die Stammbelegschaft enormen Druck ausübende Modell Leiharbeit. Alles in allem war damit ein neuer Billiglohnsektor geschaffen, von dem Gerhard Schröder auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos 2006 erklärte, dass "wir einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut [haben], den es in Europa gibt".

Funktionieren konnte das auch deshalb "so gut“, weil anderenfalls ein Abrutschen in Hartz IV drohte. Die eingangs genannte Zahl, wonach sich die Zahl der Grundsicherung beziehenden Selbstständigen verdreifacht hat, ist vermutlich auch noch nicht die ganze Wahrheit. Da im Selbstverständnis des Klein(st)-Unternehmers Eigentum, Risiko, Haftung und Leistung in einer Hand liegen, er somit die Folgen seines Handels selbst zu tragen hat, muss davon ausgegangen werden, dass die "Dunkelziffer", also die Zahl derer, deren Einkommen unterhalb der Grundsicherung liegt und die demnach anspruchsberechtigt wären, noch höher liegt.

Neben dieser individuell-psychologischen Hemmschwelle existiert aber noch ein anderer Hinderungsgrund, sich als Selbständiger mit zu geringem Einkommen an das Amt zu wenden: Wenn das zu berücksichtigende Einkommen zur Bestreitung des Lebensunterhaltes nicht ausreicht, müssen Hilfsbedürftige prinzipiell nach § 12 (1) SGB II zunächst ihr eigenes Vermögen einsetzen. Noch abstruser aber ist, dass die Selbstständigen Aufstocker jede zumutbare Arbeit (Teilzeit- und Niedriglohnjobs) im Sinne des § 9 (1) SGB II annehmen müssen, womit die Aufrechterhaltung der Selbstständigkeit nicht mehr gegeben ist.

Selbständige versuchen Arbeitslosgkeit zu entgehen

Am Anfang der Selbstständigkeit, mit der sehr häufig der drohenden Arbeitslosigkeit zu entgehen gesucht wird, steht oft eine Verschuldung. Am Ende der Selbstständigkeit steht heutzutage oft der Ruin. Fakt ist, der Markt und erst recht soll er sozial gestaltet sein, funktioniert nur, wenn alle Akteure gleichen Regeln unterliegen. Selbstständigkeit ist eine Form zum eigenen und zum Gemeinwohl beizutragen. Für DIE LINKE muss deshalb auch für diese Form wirtschaftlicher Erwerbstätigkeit der Schutz vor Armut und Missbrauch durch die Allgemeinheit gelten. Wie auch bei entsprechendem wirtschaftlichen Erfolg unserer Auffassung nach die Pflicht besteht, einen stärkeren Beitrag für die Gesellschaft zu leisten.

Gegenwärtig ist weder für Selbständige eine gerechte soziale Absicherung gewährleistet, noch leisten große Unternehmen ihren Möglichkeiten und Gewinnen entsprechende Beiträge für die Gemeinschaft.

Das gilt es zu ändern, dafür kämpft DIE LINKE!

linksfraktion.de, 25. Februar 2013

 

 Bundesarbeitsgemeinschaft Linke Unternehmerinnen und Unternehmer