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Zum Leben zu wenig – Warum der Mindestlohn auch mit 8,84 Euro zu niedrig ist

Im Wortlaut von Klaus Ernst,

 

Von Klaus Ernst, stellvertretender Fraktionsvorsitzender

 

Für viele Menschen hat der Mindestlohn seit seiner Einführung im Januar 2015 einen deutliches Gehaltsplus gebracht. Der von der Arbeitgeberlobby beschworene Untergang des Abendlandes ist ausgeblieben. Doch leider hat das Mindestlohngesetz deutliche Mängel: Durch Ausnahmeregelungen sind viele Menschen vom Mindestlohn ausgenommen. Das Gesetz ist an vielen Stellen höchst unsauber formuliert, so dass Arbeitgeber die Möglichkeit haben, Sonderzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld auf den Mindestlohn anzurechnen. Und: Der Mindestlohn ist deutlich zu niedrig. Das alles waren Gründe, weswegen wir dem Gesetz bei seiner Einführung nicht zugestimmt haben.

Heute hat die Mindestlohnkommission die neue Höhe des Mindestlohns ab 2017 festgelegt. Mit 8,84 Euro bleibt sie in dem Rahmen, der zu erwarten war. Denn es ist gesetzlich vorgesehen, dass sich die Kommission sich bei der Festsetzung des Mindestlohns an der Tarifentwicklung in der Bunderepublik orientiert. Diese betrug seit dem Jahr 2014 3,2 Prozent. Hätte die Kommission vom Tarifindex abweichen wollen, wären die Stimmen von zwei Drittel der Mitglieder notwendig gewesen. Eine geradezu utopische Vorstellung, angesichts der grundsätzlichen Blockadehaltung der Arbeitgeberseite, die – wie die Arbeitnehmerseite – mit je drei stimmberechtigten Vertreter*innen in der Kommission vertreten ist.

Das ist ein Problem, denn die Höhe des Mindestlohns von 8,50 Euro war schon bei der Einführung deutlich zu niedrig – so niedrig, dass er nicht einmal für das Mindeste im Leben reicht. Das hat uns das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gerade erst in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage bestätigt. Für einen in Vollzeit beschäftigten Single reicht der Mindestlohn nicht aus, um neben den Ausgaben zum täglichen Leben auch noch die Kosten der Unterkunft zu decken. Und das nicht nur in Mietpreishochburgen wie Hamburg oder München – selbst in den meisten Kommunen in den westlichen Bundesländern trifft das zu. Für die Betroffenen heißt das: Aufstocken mit Hartz IV! Das wird auch nach der Erhöhung des Mindestlohns auf 8,84 Euro für viele so bleiben. Denn in zahlreichen Städten in den westlichen Bundesländern, aber auch in Berlin und Potsdam werden Beschäftigte im Mindestlohn weiterhin auf Aufstockungsleistungen angewiesen sein.

Der Sinn eines Mindestlohns ist es, Menschen ein Mindestauskommen zu sichern. Das erfüllt er nicht. Besonders deutlich wird das, wenn man auf die Absicherung von Beschäftigten im Alter schaut. Rein rechnerisch müsste der Mindestlohn 11,68 Euro betragen, um im Alter eine Nettorente oberhalb der Grundsicherung zu ermöglichen – wenn man 45 Jahre lang bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden zu diesem Lohn beschäftigt und nie arbeitslos war. Auch das hat eine Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Frage von uns ergeben. Der aktuelle Mindestlohn kann Menschen nicht vor dem Gang zum Sozialamt bewahren. Ein solcher Lohn hat seinen Namen nicht verdient, denn er ist kein Mindestlohn, sondern ein Mangellohn.

Es liegt an der Bundesregierung, den Mindestlohn deutlich nachzubessern. Der Mindestlohn muss sofort rauf auf 10 Euro um dann zügig schrittweise auf 12 Euro angehoben zu werden. Und wenn die Große Koalition dann schon beim Nachbessern ist: Die Ausnahmeregelungen müssen gestrichen werden. Ebenso muss klargestellt werden, dass sich der Mindestlohn ohne Sonderzahlungen wie Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld berechnet.

 

linksfraktion.de, 28. Juni 2016