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Wohungsnot in Deutschland hausgemacht

Im Wortlaut von Caren Lay,

 

Caren Lay, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, im Interview mit der Wochenzeitung "Das Parlament" über hausgemachte Wohnungsnot in Deutschland, Gründe für die Mietenexplosion, die gescheiterte Mietpreisbremse und die notwendigen Maßnahmen, um Wohnen wieder bezahlbar zu machen

 

Frau Lay, angesichts der hohen Flüchtlingszahlen wird in Deutschland verstärkt über eine sich verschärfende Wohnungsnot debattiert. Sehen Sie hier einen direkten Zusammenhang?

Caren Lay: Die Wohnungsnot in Deutschland kommt nicht erst durch die Flüchtlinge, sie ist hausgemacht. Hier rächen sich Versäumnisse der letzten 20 oder 25 Jahre, in deren Verlauf von einst vier Millionen Sozialwohnungen gerade noch 1,5 Millionen übrig geblieben sind. Öffentliches Eigentum wurde massenhaft privatisiert, darunter allein 350.000 bundeseigene Wohnungen. Der Staat sieht zu, wenn neue Wohnungsgiganten am Markt entstehen. Und nicht zuletzt hat die Finanzmarktkrise dazu geführt, dass viel Kapital in Bodenspekulationen, in Spekulationen mit Wohnraum geflossen ist. All das treibt die Mietpreise in die Höhe.

Nun wurde ja vor einem knappen Jahr erst die Mietpreisbremse beschlossen. Sollte man da nicht erst mal abwarten, wie die wirkt?

Die Mietpreisbremse hat bisher den Mietenanstieg leider nicht gebremst. Im Gegenteil, die neuen Zahlen von Immoscout zeigen, dass selbst in Städten, in denen die Mietpreisbremse eingeführt wurde - so viele waren es ja nicht - die Mieten weiterhin ansteigen. Sowohl der Deutsche Mieterbund als auch die Bundesregierung selber sagen ja, dass nicht mehr als 400.000 Mieterinnen und Mieter überhaupt davon profitieren. Deshalb haben wir keine Zeit zu verplempern, indem man das erst mal abwartet.

Was schlagen Sie vor?

Wir wollen, dass Luxussanierungen weiter eingedämmt werden und der Mietspiegel auf breitere Füße gestellt wird. Alle Bestandsmieten und nicht nur die in den letzten vier Jahren vereinbarten müssen zur Berechnung herangezogen werden. Außerdem muss der Mietspiegel rechtssicher erstellt werden, denn schon jetzt klagen Vermieter, zum Teil erfolgreich, gegen die Mietspiegel, weil sie die Mietpreisbremse umgehen wollen. Hier müssen wir mehr Sicherheit für die Mieter schaffen.

Welchen Effekt erhoffen Sie sich von einem breiter angelegten Mietspiegel?

Wir erleben in fast in allen Großstädten und Ballungsräumen erhebliche Mietanstiege. Selbst in ostdeutschen Großstädten, in denen man noch von relativ entspannten Situationen ausgehen kann, haben wir bei den Mietangeboten Steigerungen von bis zu 25 Prozent in den letzten vier Jahren. Wenn wir nun den Mietspiegel immer auf Grundlage der neuen Mietverträge der letzten vier Jahre errechnen, legitimieren wir weitere erhebliche Mietsteigerungen. Dann kann es passieren, dass jemand, der neu einzieht, doppelt so viel Miete zahlen muss wie jemand mit einem alten Mietvertrag. Das wird die Preisspirale weiter antreiben. Deswegen ist es sehr sinnvoll, bei der Berechnung des Mietspiegels auch die bisherigen Bestandsmieten mit einzurechnen.

Das würden Vermieter wohl als Investitionsbremse bezeichnen. Sie würden Ihnen vorhalten, dass dann weniger Mietwohnungen gebaut würden, weil es sich nicht mehr lohnt.

Es wird im Moment sehr viel gebaut. Allerdings wird im Luxusbereich gebaut, Lofts und Townhouses für den reicheren Teil der Bevölkerung. Was wir aber ganz dringend brauchen, sind bezahlbare Wohnungen für Normal- und Geringverdiener. Wir brauchen eine Investition in den sozialen Wohnungsbau. Auf eine Sozialwohnung kommen fünf anspruchsberechtigte Personen, ein Riesenversäumnis der letzten Jahre. Ein Neustart hier wäre das beste Instrument.

Koalitionsfraktionen und Bundesregierung wollen die steuerlichen Vergünstigungen für Investoren jetzt ausbauen, also die Abschreibungsmöglichkeiten für Investitionen in Wohnraum verbessern. Was halten Sie davon?

Die direkte und gezielte Förderung des sozialen Wohnungsbaus hat für Die Linke eindeutig Vorrang vor steuerlicher Förderung. Nur durch direkte Förderung wird sichergestellt, dass mit den eingesetzten Mitteln tatsächlich bezahlbare Wohnungen im unteren Preissegment geschaffen werden.

Der andere Ihrer schon angesprochenen beiden Anträge betrifft die Verteuerung von Bestandswohnungen durch Sanierungen, deren Kosten auf die Mieten umgelegt werden und damit die Wohnungen für viele Mieter unbezahlbar machen. Was sind hier Ihre Vorschläge?

Derzeit kann jemand, der eine Wohnung saniert, jedes Jahr elf Prozent der Sanierungskosten auf die Kaltmiete drauflegen - und zwar auf unbegrenzte Zeit. Das hört nicht etwa auf, wenn die Sanierungskosten abbezahlt sind. Das kann, besonders bei alten Mietverträgen, zu einer erheblichen Steigerung der Mieten führen. Zudem greift die Mietpreisbremse nicht, wenn saniert wird. Das heißt, viele Vermieter „retten“ sich jetzt in die Sanierung, weil die eine sichere Rendite auf Jahrzehnte garantiert und weil sie so die Mietpreisbremse umgehen können. Dem muss ein Riegel vorgeschoben werden, weil es dazu führt, dass gerade in den Innenstädten Menschen mit geringem Einkommen aus ihren alten Wohnungen verdrängt werden. Wir sagen, die Umlage der Sanierungskosten muss in einem ersten Schritt auf fünf Prozent reduziert und zeitlich begrenzt werden. Perspektivisch muss, wie es der Mieterbund will, der Mietspiegel auch sanierte Wohnungen erfassen.

Bei Sanierungen geht es auch um energetische Sanierung. Hier sind sich alle Fraktionen einig, dass diese ganz wichtig sind im Kampf gegen den Klimawandel.

Die energetische Sanierung ist in der Tat im Kampf gegen den Klimawandel ein ungehobener Schatz. Derzeit ist es leider so, dass die Kosten dafür einseitig die Mieterinnen und Mieter tragen.

Wie wollen Sie diese Sanierung sozialverträglich organisieren?

Die Alternative wären zusätzliche öffentliche Investitionen. Das wäre im Interesse der Mieter, aber auch im Interesse der energetischen Gebäudesanierung, denn es würde diese deutlich akzeptabler machen. Wir fordern eine Investition von fünf Milliarden jährlich, damit wir hier vorankommen, ohne die Mieter in diesem Maße zu belasten.

Ein großes Problem nicht nur in Ballungsräumen und Großstädten, sondern auch beispielsweise in vielen kleineren Universitätsstädten ist bekanntlich der Mangel an Bauland, vor allem an bezahlbarem.

Hier rächen sich natürlich auch die Fehler der letzten Jahre, in denen der Bund, die Länder, aber auch die meisten Kommunen eine Liegenschaftspolitik gemacht haben, die darin bestand, öffentliches Eigentum zu verscherbeln. Und nun müssen wir erst mal die Privatisierung stoppen. Und wo immer es ihre Finanzausstattung ermöglicht, müssen Kommunen oder kommunale Wohnungsgesellschaften schauen, inwieweit sie Bauland auch zurückkaufen und dann günstig in Erbbaupacht abgeben können. Mehr an öffentlichem Eigentum ist die beste Spekulationsbremse. Denn gerade mit Bauland findet natürlich auch Spekulation statt.

Billiges Bauland - und dann sind die Probleme gelöst?

Nein, das kann nicht der einzige Weg sein. Es ist ganz wichtig, dass wir vor allem einen weiteren ungehobenen Schatz heben, nämlich den Leerstand reduzieren. Es gibt nach wie vor in Deutschland sehr viel Leerstand. Ich glaube, das ist eine weitere ganz wichtige Herausforderung im Interesse aller Menschen, die gerade bezahlbare Wohnungen suchen.

Das Parlament, 1. Februar 2016