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Flüchtlingsboot im Mittelmeer © UNHCR/Massimo SestiniFoto: UNHCR/Massimo Sestini

Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte in Deutschland verwirklichen

Nachricht von Michel Brandt, Zaklin Nastic,

Am 8. Mai fand das Überprüfungsverfahren (Universal Periodical Review, UPR) Deutschlands bei den Vereinten Nationen statt. Der UN-Menschenrechtsrat praktiziert dieses Verfahren seit 2007, alle UN-Mitgliedstaaten sollen sich ihm regelmäßig unterziehen. Die Überprüfung findet auf Grundlage der Charta der Vereinten Nationen, der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, der vom zu überprüfenden Staat ratifizierten Abkommen im Bereich Menschenrechte sowie gegebenenfalls des humanitären Völkerrechts statt. Deutschland wurde zum dritten Mal überprüft (nach 2009 und 2013). Im Zentrum stand die Umsetzung der bisher an Deutschland ausgesprochenen Empfehlungen.

Die menschenrechtspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Zaklin Nastic, kommentiert: „Die deutsche Bundesregierung, die für sich in Anspruch nimmt, andere Länder und Regierungen in Bezug auf Menschenrechte und deren Einhaltung belehren zu können, hat wieder einmal gezeigt, dass ihre Haupt-Strategie im Beschönigen von im Inland genau wie in der deutschen Außenpolitik herrschenden Missständen liegt. Der von Deutschland im Rahmen der Überprüfung vorgelegte Bericht ist kaum mehr als eine Aneinanderreihung von Selbstlob, Willensbekundungen und Rechtfertigungen, warum zahlreiche Empfehlungen aus früheren Überprüfungs-Zyklen immer noch nicht umgesetzt worden sind. So werden Menschen mit Behinderungen weiter vom ersten Arbeitsmarkt ausgegrenzt, von Barrierefreiheit und einer vollständigen Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention sind wir immer noch weit entfernt.

Die Bundesregierung wird regelmäßig von internationalen Organisationen aufgefordert, sich endlich mit Nachdruck für die Verwirklichung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte (WSK-Rechte) in Deutschland einzusetzen. Im Rahmen des UPR-Verfahrens wurde diese Forderung völlig zu Recht erneut vorgebracht. Dass Deutschland bis heute nicht das Fakultativprotokoll zum UN-Sozialpakt ratifiziert hat, spricht Bände: ein individuelles Beschwerdeverfahren, das Opfern von Menschenrechtsverletzungen in Deutschland damit zu Teil würde, will die Bundesregierung unbedingt verhindern. Offensichtlich fürchtet sie sich vor dem Ergebnis, denn es ist ein klarer Verstoß gegen die Menschenrechte, wenn die Jobcenter in Deutschland zu wenig für Mieten zahlen und Hartz-IV-Beziehende und ihre Familien kaum genug zum Leben haben. Es ist ein Verstoß gegen die Menschenrechte, wenn deutsche Kommunen ihre Immobilien höchstbietend verkaufen und deshalb kaum noch günstigen Wohnraum zur Verfügung stellen können. Es ist ein Verstoß gegen die Menschenrechte, wenn Menschen aufgrund steigender Mietpreise ihr gewohntes Umfeld verlassen müssen. Es ist ein Verstoß gegen die Menschenrechte, wenn Geflüchteten der Zugang zum Wohnungsmarkt lange verwehrt bleibt.

Gegen die Menschenrechte von Geflüchteten und Menschen mit Migrationsgeschichte wird in Deutschland regelmäßig verstoßen. Nur ein Beispiel ist das weiterhin ausgesetzte Recht auf Familienzusammenführung für subsidiär Schutzberechtigte. Familien werden so oft jahrelang voneinander getrennt, Kinder müssen sich nach einer traumatisierenden Fluchterfahrung fernab von ihren Familien durchschlagen. Vielen Kindern in Erstaufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete und Asylsuchende bleibt das Menschenrecht auf Bildung weiterhin verwehrt. Das ist wirklich mehr als skandalös! Auch wurden bisher keine im Rahmen des UPR-Verfahrens angemahnten Korrekturen an deutschen Gesetzen vorgenommen, die Tür und Tor für Racial Profiling, also Kontrollen aufgrund des Aussehens, der Herkunft oder der Hautfarbe, öffnen.“

Auch Michel Brandt, Obmann der Linksfraktion im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, kritisiert die unzureichende Umsetzung internationaler Menschenrechte durch die Bundesregierung: „Die Bundesregierung verletzt ihre Verpflichtungen des internationalen und europäischen Flüchtlingsschutzes, denen sie sich mit dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention verpflichtet hat. Mit den anhaltenden Rückführungen nach Libyen von Flüchtenden auf dem Mittelmeer in Zusammenarbeit mit der libyschen Küstenwache trägt die Bundesregierung eine Mitverantwortung an den Verstößen gegen die internationalen und europäischen Schutzverpflichtungen gegenüber Flüchtenden. Die Bundesregierung höhlt damit das ‘Non-Refoulement’ Verbot aus, wonach Menschen nicht in Gebiete zurückgeführt werden dürfen, in denen ihnen schwere Menschenrechtsverletzungen drohen. Auch das individuelle Recht auf Asyl wird dadurch ausgehöhlt.

Auch im Bereich Unternehmensverantwortung kommt die Bundesregierung ihren internationalen Menschenrechtsverpflichtungen ungenügend nach. Die Bundesregierung hat sich anhand der UN Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte dazu verpflichtet, deutsche Unternehmen zur Einhaltung der Menschenrechte weltweit zur Verantwortung zu ziehen. In ihrem Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte wird jedoch weiterhin auf unverbindliche Leitlinien gesetzt, anstatt klare Verhältnisse durch gesetzliche Regelungen zu schaffen. Die Bundesregierung sabotiert zudem weiterhin den UN-Prozess zur Schaffung eines völkerrechtlich verbindlichen Abkommens für Unternehmensverantwortung. Damit macht sie deutlich, dass Wirtschaftsinteressen für sie einen wesentlich höheren Stellenwert haben als Menschenrechte oder internationale Solidarität.“