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Wirbel um Lothar Bisky

Im Wortlaut von Lothar Bisky,

Linkspartei-Chef: Parteivorsitz ist keine Verhandlungsmasse

Von Gabriele Oertel

Für Wirbel sorgte Linkspartei-Chef Lothar Bisky am Freitag. Angeblich hat er im Zusammenhang mit seiner im Bundestag bislang gescheiterten Wahl zum Parlaments-Vizepräsidenten einen möglichen Verzicht auf den Parteivorsitz ins Gespräch gebracht. Absurd, erklärte Bisky auf ND-Nachfrage.

»Bisky erwägt Rücktritt als Parteichef«, »Bisky denkt an Ämtertausch«, »Bisky deutet Rücktritt als Parteichef an«, »Bisky bringt möglichen Verzicht auf Parteivorsitz ins Gespräch« - vier Schlagzeilen vom Freitag. Die Nachrichtenagentur AFP, spiegel-online, stern.de und Netzeitung vermeldeten eine mögliche Kompromisslinie, um den Konflikt um die in drei Wahlgängen gescheiterte Kandidatur Lothar Biskys für das Amt des Vizepräsidenten des Bundestages zu lösen. War dies die von Gregor Gysi nebulös angekündigte Möglichkeit, das Problem in den Griff zu bekommen? Oder hatte der Linkspartei-Chef höchstselbst den Vorsitz in die Waagschale geworfen, um doch noch ins Präsidium des Bundestages gewählt zu werden? Hatte er gar die Faxen dicke nach all dem Rummel der letzten Tage?

Grundlage für all die Schlagzeilen war ein Interview mit Bisky im ARD-Morgenmagazin. Da hatte der Politiker allerdings unter anderem das gesagt, was in der Linkspartei.PDS alle schon hoch- und runterbeten können: Er klebe nicht an Ämtern. Bisky sagt das schon seit Jahren - und hat es mit der Aufgabe des PDS-Vorsitzes im Jahr 200O und der Übergabe des Fraktionsvorsitzes im Brandenburger Landtag an Dagmar Enkelmann vor einem Jahr praktisch vorexerziert. Auch seine Einlassung, er habe nicht vor, vier Jahre die Doppelbelastung zu ertragen, hatte wenig Neuigkeitswert, weil Bisky immer wieder betont hatte, bis 2006 gewählt zu sein - und bis dahin die Partei in Fraktionsstärke zurück in den Bundestag führen zu wollen. Vermutlich war es vielmehr die Reaktion des Linkspartei-Chefs auf Vorhaltungen, Parteivorsitz und Vizepräsidentenamt im Bundestag seien nicht vereinbar - von Bisky als Argument bezeichnet, über das man reden könne - die gestern für die Spekulation gesorgt hatte, er gebe den Parteivorsitz zu Gunsten des Bundestagsvizepräsidenten-Postens auf.

»Der Parteivorsitz ist für mich keine Verhandlungsmasse. Das ist absurd, auf so etwas lasse ich mich nicht ein«, reagierte allerdings Bisky gegenüber ND darauf. Er sei bis 2006 gewählt und danach entscheide die Partei. Er stelle sich in jedem Fall noch einmal der Wahl im Bundestag, bekräftigte der Politiker. Seine Wut über den Umgang mit der Linkspartei.PDS sei in den letzten Tagen gestiegen und Wut habe ihn im Leben häufig motiviert. »Je mehr sie mich ärgern, desto länger werden sie mit mir zu tun haben«, versicherte Bisky - nicht ohne auch darauf hinzuweisen, dass er gemeinsam mit seiner Fraktion eine Lösung suche, »die mit Vernunft und Rationalität begründet ist«. Zu allererst sei er seiner Fraktion verpflichtet, lehnte er eine Debatte über mögliche Lösungen ab - das gelte auch für die von Gregor Gysi angedeutete.

Ob die Bemühungen um vernunft und Rationalität jedoch von Erfolg gekrönt sein werden, steht in den Sternen. Freimütig bekannte die CSU-Bundestagsabgeordnete Daniela Raab gestern in der Chemnitzer »Freien Presse«, sie gehe davon aus, dass Bisky auch im vierten Wahlgang nicht die erforderliche Stimmenzahl erhalten werde. Es sei die vorherrschende Ansicht in der Union, einem Ex-Kommunisten nicht die Stimme zu geben, und sie könne sich nicht vorstellen, dass sich die Meinung nach einer Denkpause ändere.

Darauf setzt offenbar aber der neue Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU). Er kündigte an, den Streit um Bisky rasch beilegen zu wollen. Für Dienstag lud er die Parlamentarischen Geschäftsführer aller Fraktionen zum Gespräch.

Neues Deutschland, 21. Oktober 2005