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Wir wollen unsere Feiertage!

Im Wortlaut von Sabine Zimmermann,

Von Sabine Zimmermann, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag


Doppelte Bescherung für den Arbeitgeber, doppelter Ärger für Arbeitnehmerinnen und Arbeitsnehmer. Mit dem ersten Weihnachtsfeiertag (25.12.) und dem Neujahrstag (1.1.) fallen zwei der drei kommenden Feiertage auf einen Sonntag und gehen somit als arbeitsfreie Tage verloren. Entfallene Feiertage könnten durch andere freie Tage ersetzt werden. Solche arbeitnehmerfreundlichen Feiertagsregelungen gibt es in anderen Länder. Die Bundesregierung weigert sich jedoch, dies in Deutschland einzuführen.   Gesetzliche Feiertage sind in Deutschland arbeitsfreie Tage. Nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz müssen die Arbeitgeber der Arbeitnehmern für den Feiertag den üblichen Lohn zahlen. So ist es für den Arbeitgeber ein Geschenk, wenn der Feiertag nicht auf einen Werktag, sondern auf einen arbeitsfreien Tag am Wochenende fällt. In Deutschland kann dies theoretisch bei fünf der neun bundesweit einheitlichen Feiertage passieren. Anders als der Pfingstmontag sind diese an ein festes Datum gebunden und wandern so über die Jahre immer wieder auf ein Wochenende. In diesem Jahr traf dies auf drei der fünf Feiertage zu, im Jahr 2010 sogar vier.   In vielen Ländern gibt es deshalb arbeitnehmerfreundliche Regelungen. Dort werden “entfallene“ Feiertage durch andere freie Tage ersetzt. Fallen in den USA Feiertage auf ein Wochenende, gibt es am Freitag davor oder am Montag danach frei. In Großbritannien ist der Ausgleichstag der dem Wochenende folgende Werktag. In Belgien werden die Ausgleichstage durch ein eigenes System festgelegt, dass von der nationalen bis zur betrieblichen Ebene reicht.   Was spricht also gegen solche arbeitnehmerfreundlichen Feiertagsregelungen in Deutschland? Die Bundesregierung teilte mir auf Anfrage mit: Dies sei aus "arbeitsschutzrechtlichen Gründen" nicht erforderlich. Denn nach dem Arbeitszeitgesetz gibt es "einen wöchentlichen Ruhetag“. Und: "Eines weiteren Ruhetages für einen auf einen Sonntag fallenden Feiertag bedarf es nicht." Hätte dies Bundesregierung das Grundgesetz herangezogen, wäre die Antwort anders ausgefallen. Im Artikel 140 steht: "Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt." Entfällt der Feiertag als eigener freier Tag, geht dieses Anliegen verloren.   In Wirklichkeit sind handfeste wirtschaftliche Interessen ausschlagebend. Entfallene Feiertage bedeuten eine Ausdehnung der jährlichen Arbeitszeit. Arbeitnehmer haben einen freien Tag weniger, Arbeitgeber einen zusätzlichen Tag, an dem Werte geschaffen werden. 2010 betrug rechnerisch das täglich produzierte Bruttoinlandsprodukt 9,8 Milliarden Euro. Es geht also keineswegs um kleine Summen!   Kann unsere Wirtschaft überhaupt mehr Feiertage verkraften? In Politik und Wirtschaft wird diese Frage meist verneint, obwohl es hier keinen Zusammenhang gibt. Im finanziell gebeutelten Berlin und im strukturschwachen Schleswig-Holstein gibt es nur die neun bundesweit vorgeschriebenen Feiertage. Das wirtschaftlich starke Bayern führt dagegen mit bis zu 13 Feiertagen die Liste der Bundesländer mit den meisten Feiertagen an.   Waren Feiertage bisher Gegenstand politischer Initiativen, dann meist mit arbeitnehmerfeindlichen Charakter. 1995 schaffte eine christlich geführte Bundesregierung den Buß- und Bettag als gesetzlichen Feiertag ab, um die Einführung der Pflegeversicherung für die Arbeitgeber kostenneutral zu gestalten. 2003/2004 kamen ähnliche Vorstöße aus der sozialdemokratisch geführten Bundesregierung Schröder. Feiertage sollten gestrichen werden, um die kränkelnde Wirtschaft zu retten. SPD-Finanzminister Eichel wollte den "Tag der Deutschen Einheit" nicht mehr am 3. Oktober, sondern am ersten Sonntag des Monats begehen.   Das stieß damals auf große Empörung. Nach Umfragen lehnte in Deutschland zwei Drittel der Bevölkerung eine Streichung von Feiertagen ab. Die Wirtschaft warnte daraufhin, hier zu weit zu gehen, nachdem erst kurz zuvor die Hartz-Gesetze beschlossen wurden. Die Schröder-Regierung ließ ihre Pläne fallen. In unserem Nachbarland Frankreich scheiterte übrigens wenig später die Regierung mit einem ähnlichen Vorhaben. 2005 kam es dort zu Massenprotesten als Millionen gegen die von der Regierung für den Pfingstmontag eingeführte Arbeitspflicht streikten. Der Feiertag wurde wieder eingeführt.   Frei nach Marx lässt sich also sagen: Die Geschichte der Feiertage ist eine Geschichte von Klassenkämpfen. Bisher werden diese jedoch sehr einseitig geführt. Zeit, den Spieß mal umzudrehen. Ein Wunschzettel für den Weihnachtsmann wird da wohl nicht reichen. Die Regierung muss eher die Rute zu spüren bekommen.