Zum Hauptinhalt springen

»Wir sollten mehr aufs Tempo drücken«

Im Wortlaut von Werner Dreibus,

Linksfraktion hat keine einheitliche Position zu Kombilöhnen. Parlamentarische Linie wird erst noch »festgezurrt«. Ein Gespräch mit Werner Dreibus

Werner Dreibus (WASG) ist Mitglied der Bundestagsfraktion Die Linke, die er im parlamentarischen Ausschuß für Arbeit und Soziales vertritt.

Die große Koalition will mit der Einführung sogenannter Kombilöhne im Niedriglohnbereich Langzeitarbeitslose wieder in Arbeit bringen. Wie steht Die Linke im Bundestag zu den Vorschlägen?

Zunächst ist es mehr als fraglich, ob mit Kombilöhnen neue Arbeitsplätze entstehen. Das Vorhaben läuft bestenfalls auf ein Nullsummenspiel hinaus, da mit Verdrängungseffekten zu rechnen ist. Nicht dem potentiellen Beschäftigten kommt die Lohnsubvention zugute, sondern dem Unternehmer. Der wird die Gelegenheit dazu nutzen, die bisher regulär Beschäftigten durch Kombilöhner zu ersetzen.

Sie glauben also nicht an die vom wirtschaftspolitischen Sprecher der Unionsfraktion, Laurenz Meyer, prophezeiten eine Million neuen Arbeitsplätze?

Prognosen dieser Art hört man seit 20 Jahren, und bislang hat sich noch jede in Luft aufgelöst. Nicht eine der Maßnahmen zur Ausweitung des Niedriglohnsektors - ob Minijobs, Ein-Euro-Jobs oder Leiharbeit - hat die Lage auf dem Arbeitsmarkt entspannt. Sie wurde dadurch vielmehr verschärft. Das wird mit Kombilöhnen nicht anders kommen.

Die Koalition diskutiert diverse Kombilohnmodelle. Die Union will den Arbeitslohn mit Steuergeldern auf das Existenzminimum aufstocken, die SPD denkt an einen Freibetrag bei den Sozialabgaben.

Das Prinzip ist immer dasselbe. Der Unternehmer soll quasi zum Dank dafür, einen Langzeitarbeitslosen eingestellt zu haben, aus Steuermitteln belohnt werden. Dabei wird unterstellt, daß grundsätzlich genügend, aber nicht ausreichend bezahlbare, Arbeit in der freien Wirtschaft vorhanden ist. Wir sind anderer Meinung und befürchten die beschriebenen Mitnahmeeffekte, die weder eine höhere Produktivität noch einen Beschäftigungszuwachs bewirken werden. Natürlich wären Kombilöhne verteilungspolitisch extrem unsozial, weil die Allgemeinheit die Profitsteigerungen der Unternehmen finanzieren würde.

Wie sehen die Alternativen der Linken aus?

Wir verlangen ein öffentlich gefördertes kommunales Beschäftigungsprogramm, mit dem neue Arbeitsplätze entstehen - allerdings auf Tariflohnbasis. In dem Maße, wie die Beschäftigung dadurch zunimmt, könnten die Aufwendungen für »Hartz IV« und andere Transferleistungen zur Finanzierung des Programms herangezogen werden. Der Unterschied zu den Kombilöhnen besteht darin, daß tatsächlich zusätzliche Arbeit geschaffen wird. Ein solches Konzept muß flankiert werden mit einem staatlich garantierten Mindestlohn und einer längeren Bezugsdauer von Arbeitslosengeld für ältere Menschen.

Die Linkspartei hat immer mal wieder mit Kombilohnmodellen geliebäugelt, etwa in Sachsen-Anhalt. Gibt es in der Frage eine einheitliche Position der Linksfraktion, also gleichermaßen von Ex-PDS und WASG?

Es gib noch kein abgeschlossenes Meinungsbild, obwohl die beschriebene Kritik an Kombilöhnen in weiten Teilen der Linkspartei und mehr noch der WASG geteilt wird. Wir werden in den kommenden Wochen und Monaten auf verschiedenen Gebieten unsere parlamentarische Linie festzurren. Entsprechende Diskussionen sollen sowohl fraktionsintern als auch unter Beteiligung der außerparlamentarischen Bewegungen und von Experten geführt werden.

Die Planung zur Einführung von Kombilöhnen läuft offenbar auf Hochtouren - und die parlamentarische Linke sucht noch nach ihrem Standpunkt. Wann kommt die Linksfraktion endlich aus dem Knick?

Eine breite Diskussion politischer Konzepte, bei der die Betroffenen beteiligt werden, läßt sich nicht übers Knie brechen. Beispielsweise steht am Montag ein Sachverständigenhearing mit Wissenschaftlern, Gewerkschaftern und Fachleuten von Sozial- und Arbeitsloseninitiativen zu wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Fragen an. Dabei geht es auch um Kombilöhne. Spätestens Anfang März wird es ein ähnliches Treffen zum Thema Mindestlohn geben. Das Zusammenwachsen und die Konzeptionsarbeit einer Fraktion brauchen Zeit. Gleichwohl wünsche ich mir, daß dabei aufs Tempo gedrückt wird.

Interview: Ralf Wurzbacher

junge Welt, 3. Januar 2006