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Wir sind Griechen!

Kolumne von Michael Schlecht,

Von Michael Schlecht, Chefvolkswirt der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Große Teile der griechischen Bevölkerung haben ähnliche Probleme wie wir in Deutschland. Reiche und Vermögende drücken sich vorm Steuerzahlen. Die Steuersätze sind zu niedrig und lassen zu viele Schlupflöcher offen. Und es werden lieber Steuerbeamte und -fahnder eingespart, anstatt sie auf die Reichen anzusetzen. Gäbe es in Deutschland eine Besteuerung der Reichen wie von Gewerkschaften gefordert, wären 70 Milliarden mehr in der Kasse. Mit dem Steuerkonzept der LINKEN sogar 160 Milliarden Euro. Allein die Millionärsteuer würde 80 Milliarden Euro mehr in die Kassen spülen. Gäbe es in Griechenland für Reiche angemessene Einkommen- und Vermögensteuern, die auch bezahlt werden, würde es keine drohende Zahlungsunfähigkeit geben.

Jetzt wird das griechische Volk in einen atemberaubenden Sozialabbau getrieben. Vor allem auf Druck der „eisernen Kanzlerin“. Zusätzlich zu den bereits geplanten Verschlechterungen werden 30 Milliarden Euro weggekürzt. Beschäftigen beim Staat wird das Gehalt um insgesamt 15 Prozent gestrichen. Die Renten werden weiter verschlechtert und die Mehrwertsteuer von 19 auf 23 Prozent angehoben. Und in der Privatwirtschaft will die Regierung den Kündigungsschutz lockern.

Die Wirtschaft wird nur noch weiter stranguliert, die Verschuldung weiter steigen. Die EU und der IWF gehen davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt 2010 um vier Prozent einbrechen wird. Bankökonomen befürchten einen Rückgang um zehn Prozent. Dies wird desaströse Auswirkungen auf die Steuereinnahmen haben und die Verschuldungsquote nicht senken, sondern in die Höhe treiben.

Die Agenda 2010 wird in radikalisierter Form exportiert. Der Kampf der griechischen Bevölkerung dagegen ist der gleiche Kampf, den auch wir in Deutschland führen. Er hat unsere volle Solidarität.

Ein Teil der Verschlechterungen sollen jetzt in Griechenland durchgesetzt werden, die wir in Deutschland in den letzten zehn Jahren bereits zu erleiden hatten. Die Löhne sind hierzulande preisbereinigt seit 2000 gesunken. Sie hätten um mindestens zehn Prozent steigen können. Die Renten wurden ausgebremst und die Rente mit 67 eingeführt. Mit dem deutschen Lohndumping als Waffe in der Hand haben deutsche Unternehmer andere Länder, so auch Griechenland, geschädigt. Deshalb ist das griechische Finanzdesaster auch Resultat deutscher Politik, deutschen Sozialabbaus.

Der Staatsbankrott in Griechenland muss verhindert werden. Denn es geht um Europa, es geht um den Euro. „Fällt“ heute Griechenland, dann fällt morgen Portugal und Spanien und übermorgen möglicherweise Frankreich. Seit 65 Jahren haben wir Frieden in Mitteleuropa. In den 70 Jahren zuvor drei mörderische Kriege. Bei allen Schattenseiten der Europäischen Union: Es steht viel auf dem Spiel!

Die Hilfe darf aber nicht zu Lasten der deutschen Staatskasse sowie der Beschäftigten und Rentner in Griechenland gehen. Private Banken, Spekulanten und Finanzprofiteure müssen zahlen. Mit der Bankenabgabe nach US-Vorbild sind allein Mehreinnahmen von mindestens neun Milliarden Euro jährlich möglich. Die Finanztransaktionssteuer in Höhe von 0,01 Prozent bringt mehr als zehn Milliarden Euro jedes Jahr. Mit einem Schuldenmoratorium muss Griechenland erst einmal Luft zum Atmen verschafft werden. Damit würden alle Zinszahlungen und Schuldentilgungen für drei Jahre ausgesetzt. Darüber hinaus muss geprüft werden, ob Zwangsanleihen oder eine Umschuldung mit Forderungsverzicht machbar und sinnvoll sind.