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Amira Mohamed Ali © dpa/Carsten KoallFoto: dpa/Carsten Koall

»Wir machen Politik für die Mehrheit«

Im Wortlaut von Amira Mohamed Ali, Rheinische Post,

Die neue Fraktionschefin der Linken geht forsch ans Werk provoziert. Sie will die alten Konflikte überwinden. Das Gespräch führte Kristina Dunz.

In ihrem Privatleben ist Amira Mohamed Ali Sängerin und macht mit einem Gitarristen akustische Musik. In ihrem Bundestagsbüro hängen Bilder von Johnny Cash und Lana Del Rey. Die vorerst größte Herausforderung für die 39-jährige Rechtsanwältin wird sein, als neue Vorsitzende der Linksfraktion dafür zu sorgen, dass die zerstrittenen Abgeordneten ein Wir-Gefühl entwickeln.


Sie sind erst seit zwei Jahren im Bundestag und nun ganz oben. Was ist das für ein Gefühl?
Ich habe erstmals für eine so hohe Position kandidiert. Ich war aufgeregt, das muss ich zugeben. Es war klar, dass es knapp wird. Und dann hat es für mich geklappt. Das freut mich sehr. 

Im gegnerischen Lager heißt es, sie seien eine Erfüllungsgehilfin des langjährigen Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch, und dessen Unterstützer hätten Frau Lay verhindern wollen, weil sie von der Parteispitze favorisiert wurde. Geht der desaströse Streit zwischen Fraktionsvorstand und Parteivorstand munter weiter?
Es stört mich, wie sehr wir hinter unseren Möglichkeiten zurückbleiben. Es geht nicht, dass wir unsere inhaltliche Schlagkraft einbüßen, weil wir es nicht genug schaffen, gemeinsam in eine Richtung zu gehen. Ich bin überzeugt: Wir machen Politik für die Mehrheit der Bevölkerung. Ohne die parteiinternen Konflikte würden wir viel höher in der Wählergunst stehen.

Was werden Sie dafür unternehmen?
Wir müssen als Fraktion etwas Neues versuchen. Es bringt ja nichts, immer wieder dieselben Pfade zu laufen. Für uns als Linke ist es wichtig, nach innen zumindest ein Stück weit einen Neustart zu machen. Wir müssen die sehr alten Konflikte überwinden. Das kann am besten jemand machen, der wie ich darin nicht involviert ist. Ich persönlich bin noch mit niemandem in der Fraktion ernsthaft aneinander geraten. Ich habe keine Feindseligkeiten erlebt. Das ist eine gute Voraussetzung. Aber natürlich sage ich nicht, ich bin hier, wo ist das Klavier. Das müssen wir gemeinsam machen.

Werden sie auf die Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger zugehen?
Ja, natürlich spreche ich mit Katja und Bernd. Ich werde mit jeder und jedem aus der Fraktion sprechen. Man kann Konflikte nicht überwinden, wenn man nicht miteinander spricht. Es gibt verschiedene Arten von Konflikten: inhaltlicher Art, persönliche Art und es gibt Konflikte aufgrund von Missverständnissen. Missverständnisse müssen aus dem Weg geräumt werden und inhaltliche Konflikte müssen sachlich ausgetragen werden. In der Vergangenheit hat es bei den Linken teilweise daran gekrankt, dass man nicht versucht hat, die Dinge ganz konkret anzusprechen und zu lösen.

Sie haben gesagt, die Linke mache Politik für die Mehrheit der Bevölkerung. Da werden sich etliche Bürger die Augen reiben. Nennen Sie bitte ein paar Beispiele, welche Politik der Linken für die Mehrheit der Bürger steht.
Wir wollen eine gemeinwohlorientierte Politik. Wir wollen eine Umverteilung von oben nach unten. Wir wollen keine neoliberale Verwertungslogik, die sich durch immer mehr Bereiche des Lebens durchzieht. Zum Beispiel bei der Privatisierung von Krankenhäusern.

Wie wollen Sie es zurückdrehen, dass Kliniken gewinnorientiert wirtschaften müssen?
Die Gesundheitsversorgung ist ein Kern der Daseinsvorsorge. Es ist die Aufgabe des Staates, dafür zu sorgen, dass jeder Mensch eine gute Gesundheitsversorgung bekommt. Gesundheit kostet Geld. Man muss ja nicht betriebswirtschaftliche Erkenntnisse vergessen. Aber, dass ein Krankenhaus Gewinn erwirtschaften muss, ist der völlig falsche Weg. Wir stecken unglaublich viel Geld in die Rüstung, wie verschenken riesige Summen durch Steuerschlupflöcher und wir versäumen große Einnahmen, weil wir keine Vermögenssteuer haben. Das sind viele Milliarden Euro. Damit könnten wir die Gesundheitsversorgung gut finanzieren.  

Ihre Widersacher in der Partei sagen, Sie hätten sich nur um Tierschutz und nicht um große soziale Fragen gekümmert. Finden Sie das gehässig?
Zunächst: Ich habe mich auch um den Verbraucherschutz gekümmert, bei dem es im Schwerpunkt um die Verteidigung von Lebensstandards gegenüber Profitinteressen von Konzernen geht. Aber zum Tierschutz: Es zeigt sich im Umgang des Menschen mit dem Tier teilweise auf eine sehr schreckliche Art und Weise eine pure marktwirtschaftliche Verwertungslogik. Tiere in der industriellen Massentierhaltung werden oftmals ohne jeglichen moralischen Kompass gehalten. Sie werden nur auf ihre Körperfunktion reduziert. Möglichst schnell wachsen und vermehren. In der Fleischindustrie herrschen auch unglaublich schlechte Arbeitsbedingungen. Viele Menschen, die in Schlachthöfen arbeiten, sind - man muss es so hart sagen - moderner Sklaverei unterworfen. Die Arbeitskräfte, meist aus Osteuropa, werden hemmungslos ausgebeutet. Es gibt etliche Arbeitsunfälle. Wer dort wenige Jahre arbeitet, altert um Jahrzehnte. Die Umwelt wird zum Beispiel durch Nitratbelastung in unserem Grundwasser erheblich belastet. Hier wird letztlich die Gesundheit von uns allen aufs Spiel gesetzt. Das ist die Fratze des ungezügelten Kapitalismus. Und deshalb ist Engagement für Tierschutz eine sehr soziale und gesellschaftliche Frage. 

Sie sind die erste Muslimin als Chefin einer Bundestagsfraktion. Welches Signal wollen Sie aussenden?
Ich möchte gute Arbeit leisten und hoffe, dass ich dadurch einen Beitrag dazu leisten kann, dass die Frage nach der Religionszugehörigkeit irgendwann in solchen Zusammenhängen gar keine Rolle mehr spielt.  

Wie viele schlechte Witze und schräge Vergleiche erleben Sie mit Ihrem Namen? Schwester des Boxers Muhammad Ali,  Schlägerei im Dschungel, „Rumble in the Jungle“?
Es sind nicht viele Witze und Vergleiche, aber sie werden unendlich oft wiederholt. „Ich schlag mich durch“ und so etwas. Das finde ich aber eher nett. Nervig ist, dass viele Menschen meinen Namen an sich für einen Witz halten. Sie glauben nicht, dass ich so heiße und viele glauben, ich sei ein Mann. 

Was heißt Amira?
Mein Name hat zwei Bedeutungen: Prinzessin und Herrscherin.

Rheinische Post,