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Weiße Salbe

Im Wortlaut von Sevim Dagdelen,

Von Sevim Dagdelen, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages

 

 

 

Nach weltweit wachsender Kritik an den NSA-Bespitzelungen startet US-Präsident Barack Obama nun eine PR-Offensive und kündigt eine Reform des US-Überwachungssystems an. Politiker der großen Koalition in Deutschland reagieren verhalten optimistisch und fordern lediglich eine rechtlich verbindliche Fixierung der Zusage Obamas, befreundete Regierungen nicht mehr ausspähen zu wollen, in Form eines No-Spy-Abkommens. Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele lobt Obama sogar dafür, daß er endlich die internationale Besorgnis über die US-Spionage zur Kenntnis genommen habe. Die Botschaft aus der Bundesrepublik kann nicht anders verstanden werden als: grünes Licht für die Fortführung der Bespitzelungen für imperialistische US-Kriege.

Denn Fakt ist: Obama hat im Grunde erklärt, mit der Überwachung von Millionen Menschen einfach fortfahren zu wollen. Dieser Tatsache müßte man sich endlich auch hier stellen. Bürgerrechts- und Friedensbewegung in den USA sind in dieser Hinsicht um ein vielfaches kritischer. Allerdings weisen etwa Äußerungen zur Obama-Rede von Justizminister Heiko Maas in eine ganz andere Richtung. Die Bundesregierung will augenscheinlich keinerlei Bemühungen unternehmen, um die demokratische Souveränität der Bundesrepublik herzustellen, um Grundgesetz und Grundrechte zu verteidigen. Ankündigungen, in die USA zu reisen, mit Obama zu telefonieren oder ein No-Spy-Abkommen für Regierungsmitglieder und die deutsche Wirtschaft einzufordern, entkräften nicht den Vorwurf der Schönfärberei. Zumal allen Beteiligten bewußt ist: 99,9 Prozent der deutschen Bevölkerung können mit einem solchen Abkommen nicht geschützt werden. Deshalb ist eine gesellschaftliche Bewegung nötig, die auch die Zusammenarbeit von Bundesregierung und USA bei Bespitzelung und US-Kriegen aufs Korn nimmt.

Es geht aus meiner Sicht um fünf konkrete Maßnahmen, mit denen der Druck auf die US-Administration erhöht werden kann: Sofortige Kündigung des SWIFT- (Bankdatenweitergabe) und des PNR-Abkommens (Fluggastdatenweitergabe) sowie Beendigung der Verhandlungen über eine EU-US-Freihandelszone. Am wichtigsten aber ist, die Infrastruktur für die Spähangriffe und die geheimen US-Kriege in Deutschland zu beseitigen. Das betrifft alle US-Stützpunkte in der Bundesrepublik, insbesondere die Kommandozentralen in Stuttgart und Ramstein. Es kann nicht sein, daß auf deutschem Boden das Grundgesetz mit Füßen getreten wird. Nicht zuletzt ist die Bundesregierung gefordert, endlich für ein UN-Abkommen gegen Grundrechtsverletzungen durch Geheimdienste aktiv zu werden. Es muß die gesamte Bevölkerung schützen und UN-Asyl- und Sicherheitsgarantien für Whistleblower wie Chelsea Manning, Julian Assange und Edward Snowden enthalten.

junge Welt, 20. Januar 2014