Zum Hauptinhalt springen

»Weg von der Konfrontation und hin zur Kooperation«

Im Wortlaut von Jan van Aken,



Jan van Aken, außenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, über den Kompromiss von Minsk, die Sanktionspolitik gegen Russland, die NATO-Osterweiterung, Friedenspolitik und ihre Bedeutung für die Bürgerschaftswahl in Hamburg
 

Am Mittwoch und Donnerstag haben sich auf deutsch-französische Initiative hin, Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Hollande mit dem ukrainischen Staatschef Petro Poroschenko und Kremlchef Wladimir Putin an einen Tisch gesetzt. Wie schätzen Sie die Ergebnisse des Treffens ein, um nun eine friedliche Lösung des Ukraine-Konflikts zu erreichen?

Jan van Aken: Die Einigung auf eine Waffenruhe ist ein wichtiger symbolischer Schritt, aber ihm müssen die tatsächliche Umsetzung und weitere Maßnahmen zur Deeskalation folgen. Wenn wie vereinbart ab dem 15. Februar die schweren Waffen aus dem umkämpften Gebiet abgezogen werden, ist das ein erster substantieller Beitrag zur Entspannung der Lage. Es ist aber zwingend, dass darüber hinaus alle Seiten weiter abrüsten und weder verbal noch durch Waffenlieferungen, Sanktionen, NATO-Erweiterungs-Überlegungen, Truppenstationierungen oder andere Eingriffe weiter Öl ins Feuer gießen. Es gilt jetzt, sich von den Scharfmachern auf allen zu Seiten nicht provozieren zu lassen und an dem eingeschlagenen Kurs festzuhalten.

Im Vorfeld des Treffens hat die Bundeskanzlerin deutlich gemacht, dass sie Waffenlieferungen an die Ukraine ausschließt. Sie hat sich auch gegen die geplanten Waffenlieferungen der USA und für Dialog zur Konfliktlösung ausgesprochen. Wie ist diese Position einzuschätzen?

Zunächst einmal ist es natürlich positiv zu bewerten, dass sich die Kanzlerin für Dialog anstelle von Waffenlieferungen ausspricht. Dafür hat sie unsere volle Unterstützung. Solange Merkel aber keinen Zweifel daran lässt, auch im Falle von US-Waffenlieferungen an der Seite Obamas zu stehen, hat ihr Appell für Dialog wenig Gewicht. Auch ist es kontraproduktiv, dass sie an der Sanktionspolitik festhält. Zum einen sind Sanktionen kein geeignetes Mittel zur Deeskalation. Sie haben doch die Unterstützung Russlands für die Separatisten gestärkt. Zum anderen treffen Sanktionen auch hier wieder die Falschen. Die wirtschaftliche Lage in Russland hat sich durch die Sanktionen verschlechtert, aber für wen? Für die ärmere Bevölkerung und nicht für die politische Klasse. Deutschland könnte eine sehr positive Rolle in der Konfliktbewältigung spielen, wenn konsequent auf Dialog und Interessensausgleich gesetzt würde.

Als Folge des Ukraine-Konflikts will die NATO die schnelle Eingreiftruppe auf 30.000 Mann erweitern. Welche Rolle spielte und spielt die Ausdehnung der Militärallianz nach Osteuropa in den vergangenen Jahren für die gegenwärtige Situation?

Die NATO-Ostausdehnung hat einen ganz elementaren Anteil an der jetzigen Auseinandersetzung. Das 2013 geplante EU-Assoziierungsabkommen mit der Ukraine war letztlich der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Und nun wird der Konflikt missbraucht, um die massive Aufrüstung der NATO und eine permanente militärische Präsenz im baltischen Raum zu rechtfertigen. Das ist das Gegenteil einer Lösung, dass ist die Fortsetzung des Problems. Die NATO-Mitglieder setzen damit genau die Politik fort, die erst in die politische Krise der Ukraine geführt hat. Auch hier könnte Deutschland eine positive Rolle spielen, wenn die Bundesregierung ganz klar sagen würde: keine Aufnahme der Ukraine in die NATO und keine Stationierung von Truppen an den Grenzen zu Russland.

Welche friedenspolitischen Maßnahmen sind jetzt notwendig, um eine weitere Eskalation des Konflikts zu verhindern und damit eine Konfrontation zwischen Ost und West?

Langfristig gibt es Frieden und Sicherheit in Europa nur mit Russland, und dafür müssen heute die entscheidenden Weichen gestellt werden: weg von der Konfrontation und hin zur Kooperation. Für mich sind konkrete Abrüstung auf allen Seiten und ein Dialog mit allen Interessensgruppen der Schlüssel. Es ist doch bezeichnend, dass die überwältigende Mehrheit der Menschen, die in der Ukraine leben, bisher gar nicht über die Zukunft des Landes mitreden können. So entsteht der Eindruck, dass man nur mit Gewalt etwas erreichen kann und ernst genommen wird. Diese Kultur der Gewalt muss überwunden und ein demokratischer Prozess eingeleitet werden. Darüber hinaus müssen sich die europäischen Staaten mit Russland auf ein gemeinsames nicht-militärisches kollektives Sicherheitssystem verständigen. Mit der NATO ist kein Frieden zu machen, deshalb muss sie ersatzlos aufgelöst werden.

Im Hamburg wird am Sonntag eine neue Bürgerschaft gewählt. Als Abgeordneter aus Hamburg: Welche Rolle spielt Friedenspolitik in Hamburg und welche Themen treiben die Menschen vor Ort sonst noch um?

Friedenspolitik spielt eine wachsende Rolle für die Menschen in Hamburg. Das hat mit dem aktuellen Ukraine-Konflikt zu tun, aber auch mit der menschenverachtenden Flüchtlingspolitik. Viele Hamburgerinnen und Hamburger haben ganz persönliche Kontakte zu Menschen, die aus den Kriegen in Syrien, Somalia, Irak und Afghanistan geflüchtet sind. Ihre Lebens- und Fluchtgeschichten nähren den Wunsch der Menschen nach einer friedlicheren Außenpolitik und einer menschlicheren Flüchtlingspolitik. Auch stinkt es den Leuten, dass von Hamburg aus, Rüstungsgüter in Millionenhöhe in alle Welt verschifft werden. Aber im aktuellen Wahlkampf spielen neben der Flüchtlingspolitik vor allem die horrenden Mietskosten und die wachsende Wohnungsnot eine entscheidende Rolle.
 

linksfraktion.de, 13. Februar 2015