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Warum lieferte Deutschland heikle Chemikalien nach Syrien?

Im Wortlaut von Jan van Aken,

 

Von Jan van Aken

Deutschland hat gefährliche Chemikalien nach Syrien geliefert, obwohl andere westliche Länder dies aus gutem Grund immer wieder verweigert hatten. Denn allen Beteiligten war bekannt, dass Assad ein riesiges Chemiewaffen-Programm unterhält, die gelieferten Chemikalien hätten direkt für die Produktion des tödlichen Nervengases Sarin eingesetzt werden können. Andere Länder sagten nein, Deutschland lieferte trotzdem und hat damit eine internationale Vereinbarung zur Exportkontrolle unterlaufen.

Die Entscheidung für diesen Deal ist ganz oben an der Spitze des Ministeriums gefallen, von einem Staatssekretär im Außenministerium. Alles spricht dafür, dass es eine gezielte, politische Entscheidung war, dass es möglicherweise einen schmutzigen Deal der damaligen Bundesregierung mit dem Assad-Regime gab. Aufklären kann das vor allem Frank Walter Steinmeier, der bis 2005 Kanzleramtschef und danach Außenminister war.

Lieferstopp anderer Länder

Am 8. November 2013 bestätigte das Wirtschaftsministerium in Antwort auf eine Frage der LINKEN im Bundestag, dass Mitgliedsstaaten der so genannten „Australischen Gruppe“ die Lieferung von Fluorwasserstoff nach Syrien abgelehnt haben. Die Australische Gruppe ist ein Zusammenschluss westlicher Länder, in der Exportkontrollen von heiklen Gütern im Atom-, Biologie und Chemiebereich koordiniert werden. Lehnt ein Land eine Lieferung ab, gilt die Regel, dass kein anderes Land der Australischen Gruppe liefern sollte. Die Bundesregierung hat trotzdem Lieferungen genehmigt und damit das internationale Kontrollregime entscheidend geschwächt.

Die Chemikalien-Lieferungen

Im September wurde bekannt, dass Deutschland bis 2011 gefährliche Chemikalien nach Syrien geliefert hat, die direkt für die Sarin-Produktion verwendet werden können. Dabei handelt es sich um Fluorwasserstoff und andere Fluoride, deren Export von der EU streng kontrolliert wird. Von 1998 bis 2011 wurden insgesamt 292,6 Tonnen Fluoride im Wert von 504.015,- Euro geliefert.

Die Behauptung der Bundesregierung, sie könne sicherstellen, dass die Chemikalien nur zivil verwendet wurden, ist völlig fadenscheinig. Zum einen ist das vor Ort gar nicht überprüft worden, zum anderen ist bei anderen Ländern allein schon das theoretische Missbrauchspotential Grund genug, nicht zu liefern. Selbst in die USA liefert die EU bestimmte Chemikalien nicht mehr, weil dort damit möglicherweise die Todesstrafe vollstreckt wird und ein Missbrauch dieser Chemikalie somit nicht sicher verhindert werden kann.

Bis 2011 hat Deutschland munter weiter geliefert, die ersten Ablehnungen für Chemie-Lieferungen an Syrien gab es erst im März 2012 – als der Bürgerkrieg in Syrien schon ein Jahr lang tobte. Und selbst da wurde nur abgelehnt mit Verweis auf „unmittelbar bevorstehende EU-Sanktionen“.

Auch Ersatzteile für Chemie-Anlagen wurden geliefert

Deutschland hat auch Spezialausrüstung nach Syrien geliefert, die in Chemiewaffenfabriken eingesetzt werden können. Konkret waren es unter anderem Spezialventile, die nach Anhang I der EG-Dual-Use-Verordnung (Kategorie 2B350) einer strikten Kontrolle unterliegen, weil sie so beschichtet sind, dass sie auch bei der Produktion von aggressiven Chemikalien und Chemiewaffen eingesetzt werden können.

Nach Angaben der Bundesregierung waren die Spezialventile z.B. für die Papierherstellung oder Erdgasaufbereitung in Syrien gedacht. Dies sei von Syrien "plausibel dargestellt" worden. Wie schon bei der Lieferung der heiklen Chemikalien stellt sich auch hier die Frage, wieso die Bundesregierung sich auf eine Zusicherung des Assad-Regime verlassen hat. Eine Abzweigung dieser Materialien für die Chemiewaffen-Produktion wäre sehr leicht möglich. Kein Mensch würde heute auf die Idee kommen, Zentrifugen an Nordkorea zu verkaufen, nur weil Kim Yong Un eine rein zivile Verwendung zusichert.

Warum?

Es ist kaum zu verstehen, warum Deutschland diese Chemikalien und Anlagen mitten hinein in das syrische Chemiewaffen-Programm geliefert hat, obwohl andere Länder abgelehnt hatten. Um Geld kann es dabei kaum gegangen sein, die Chemikalien haben insgesamt, über einen Zeitraum von 13 Jahren, nur rund 500.000 Euro gekostet. Wenn die Bundesregierung internationale Vereinbarungen wie die Australische Gruppe derart dauerhaft unterläuft, muss es dafür auf höchster Ebene eine klare politische Entscheidung gegeben haben. Über die Gründe kann nur spekuliert werden, allerdings ist bekannt, dass der Bundesnachrichtendienst BND traditionell gute Beziehungen nach Syrien hat. Im Jahre 2002 durften BND-Beamte in Syrien beim Verhör eines Deutsch-Syrers zugegen sein, schon damals war ein Deal zwischen Syrien und der Bundesregierung vermutet worden. Seinerzeit war Frank-Walter Steinmeier als Chef des Kanzleramtes für den BND zuständig.
 

linksfraktion.de, 12. November 2013