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Fünfzig-Euro-Geldscheine in einer Waschmaschine

Warum der Kampf gegen Geldwäsche stockt

Nachricht von Janine Wissler,

Deutschland gilt als Paradies für Geldwäscher. Laut Schätzungen werden hier jährlich 100 Milliarden Euro gewaschen. Der Kampf dagegen kommt nicht voran. Die zuständige Behörde Financial Intelligence Unit (FIU) kommt bei den vielen Verdachtsmeldungen nicht mehr hinterher.

Eine deshalb gründete "Taskforce" sollte "bis Frühjahr" die mehr als 100.000 Meldungen abgearbeitet haben. Nach einer Kleinen Anfrage von Janine Wissler, Mitglied im Finanzausschuss für die Fraktion DIE LINKE, legten die FIU und das Bundesfinanzministerium (BMF) nun erste Zahlen vor. Demnach dürfte das Abarbeiten der in fast drei Jahren angesammelten Geldwäsche-Verdachtsmeldungen deutlich länger dauern als geplant. Das ZDF heute berichtete exklusiv.

Janine Wissler kritisiert: "Im Monat Dezember wurden von vermeintlich immer noch 40.000 relevanten Fällen 2.500 abgearbeitet. Wenn das so weitergeht, wird die Abarbeitung wohl weit über ein Jahr dauern." 

Problematisch sei dabei insbesondere die IT-Infrastruktur bzw. deren Eignung für die Geldwäschebekämpfung, führt Wissler fort: "Laut BMF soll die IT der FIU 'grundsätzlich neu konzipiert' werden. Das kann doch nur heißen, dass die derzeitige IT den Anforderungen vorne und hinten nicht genügt. Dann versteht man auch, warum es der FIU mehr als zwei Jahre kaum aufgefallen ist, dass sie eine gewaltige Bugwelle unerledigter Arbeit vor sich herschiebt. Das passt natürlich gut ins Bild der sonstigen Pannen.

Der Auftrag für die neue IT-Ausstattung der FIU sollte schon 2021 vergeben werden. Bis heute ist immer noch kein Auftrag erteilt und laut Ausschreibung wird es 5 bis 7 Jahren dauern, bis die IT läuft. Mit einer wirksamen Geldwäschebekämpfung ist in Deutschland vor 2030 wohl nicht zu rechnen."

Wie leider bei Antworten auf parlamentarische Anfragen seitens des BMF häufig, werden viele Antworten nur sehr ausweichend oder schlicht gar nicht beantwortet. "In der Schule würden viele Antworten der Bundesregierung wegen 'Thema verfehlt' mit einer 5 bewertet. Ich glaube nicht, dass Herr Lindner die Fragen nicht versteht, sondern er will Parlament und Öffentlichkeit nicht die Wahrheit sagen", kommentiert Wissler. "Vielleicht sieht sich Herr Lindner ja auch selbst als 'schuldig wegen Untätigkeit' an, und glaubt daher, vor Parlament und Öffentlichkeit ein Aussageverweigerungsrecht zu haben."

Neben den 100.000 als prüfungsbedürftig eingestuften, unbearbeiteten Geldwäschemeldungen, die sich von Anfang 2020 bis Ende September 2022 aufgetürmt haben, hat das BMF auf weitere 425.000 Meldungen hingewiesen, die im selben Zeitraum als nicht prüfungswürdig eingestuft wurden. Von den 100.000 unbearbeiteten Meldungen will das BMF im Dezember kurzfristig weitere 60.000 Meldungen als nicht weiter bearbeitungswürdig aussortiert haben.

Das wirft die Frage auf, wie es in so kurzer Zeit möglich sein soll, eine so große Anzahl von Meldungen seriös als unbedenklich auszusortieren. Entweder ist die Unbedenklichkeit so offensichtlich (z. B. weil es um einstellige Euro-Beträge geht), das man sich fragt, warum man diesen Auswahlschritt nicht schon vorher unternommen hat. Viel bedenklicher wäre aber, wenn die FIU – um der angeblich schnellen Abarbeitung halber – einfach die Kriterien aufgeweicht hat, ab wann Meldungen als prüfungswürdig gelten (z. B. durch Heraufsetzen von willkürlichen "Bagatellgrenzen" auf hohe dreistellige oder vierstellige Euro-Beträge oder die pauschale Nicht-Beachtung bestimmter Sachverhalte wie z. B. Online-Glückspiel-Fälle). Solange die Bundesregierung nicht plausibel erklärt, wie dieser schnelle Bearbeitungsschritt von mehr als 100.000 auf weniger als 40.000 noch zu bearbeitende Verdachtsmeldungen zustande kommt, sind ganz erhebliche Zweifel angebracht.

Das gilt umso mehr, wenn man betrachtet, wie langsam die daran anschließende Prüfung der verbleibenden 39.781 Fälle voranschreitet. Seit 1. Dezember 2022, also seit Einsetzung der "Taskforce", wurden nicht nur über 60.000 Fälle ganz schnell ausgemustert, sondern vom Rest 2.583 offensichtlich ganz zeitintensiv bzw. langsam abgearbeitet. Selbst wenn man die Feiertage rund um den Jahreswechsel berücksichtigt und die Prüfung von 2.583 Verdachtsmeldungen in nur zwei Wochen im Dezember geschafft wurde, bedeutet das für den Rest der 37.198 zum Jahreswechsel noch offenen Meldungen, dass die Restbearbeitung bei gleichem Tempo frühestens in sieben Monaten abgeschlossen sein kann. Wenn man aber das Muster zugrunde legt, dass offensichtlich erst die am schnellsten zu erledigenden Meldungen abgearbeitet werden, nämlich erst die 60.000 im Hau-Ruck-Verfahren und danach auch erstmal die einfacher gelagerten Fälle, damit es nach einer möglichst zügigen Abarbeitung aussieht, dann dürfte die Abarbeitung der Rückstände noch ein Jahr oder länger dauern. Egal ob sieben Monate oder ein Jahr, beides passt überhaupt nicht zur Aussage des BMF vom 22. Dezember 2022, dass die FIU dem BMF ein plausibles Konzept vorgelegt habe, wie die Rückstände bis zum Frühjahr 2023 abgearbeitet würden.


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