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Waffengleichheit zum Schutz des Schwächeren

Im Wortlaut von Jens Petermann,

Von Jens Petermann, rechtspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 

 

Die Anhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages am Mittwoch hat es gezeigt: Die Forderungen der Bundesländer und der Bundesregierung hinsichtlich der Begrenzung der Prozesskostenhilfe und der Beratungshilfe sind unausgegoren und treffen einmal wieder die Menschen mit geringen Einkommen.

Bei den Ausgaben für Prozesskosten- und Beratungshilfe liegt Deutschland im europäischen Vergleich an drittletzter Stelle. Norwegen zum Beispiel gibt fünf mal mehr Geld für den Zugang zum Rechtsschutz und zur Justiz aus. Genau hier wollen die Initiatoren der vorliegenden Gesetzentwürfe ansetzen und nicht etwa die Hilfen erhöhen. Nein, sie wollen, um angeblichen Missbrauch einzudämmen, um Kosten für die Landeshaushalte zu verringern und um die Kosteneffizienz in den Gerichten zu erhöhen, die Bedingungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe verschärfen. Unter anderem sollen die Gerichte die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragsteller noch härter prüfen. Durch die Absenkung von Freibeträgen, die Verlängerung der Ratenzahlungsdauer und die Neuberechnung der Prozesskostenhilfe-Raten sollen die Antragsteller in stärkerem Maße zur Finanzierung der Prozesskosten herangezogen werden.

All diese Pläne gehen natürlich zu Lasten von Geringverdienern, Aufstockern, Alleinerziehenden und Familien mit niedrigem Einkommen. Diese werden sich in Zukunft vor dem Hintergrund der angehobenen Bewilligungshürden dreimal überlegen, ob sie ihnen erfahrenes Unrecht einfach hinnehmen oder – wie es in einem ordentlichen Rechtsstaat Gang und Gebe sein sollte – sich dagegen verteidigen. Zum Beispiel ist es so, dass man das, was man bei einem teilweise erfolgreichen Prozess erlangt, einsetzen muss, um sich an den Kosten des Rechtsstreites zu beteiligen. Dies darf nicht bei Nachzahlung existenzsichernder Leistungen, insbesondere nach SGB II und SGB XII, gelten. Diese Leistungen sind gerade dazu da, eine frühere Lücke, in der die existenzsichernden Leistungen ausblieben, zu schließen und sind damit nicht als Zufluss zum Vermögen anzusehen.

In der Expertenanhörung ist deutlich geworden, dass die hohen Antragszahlen für Prozesskostenhilfe bei den Sozial- und Arbeitsgerichten auf schlechte Gesetzgebung, insbesondere bei den Hartz-IV-Gesetzen, und auf gravierende Mängel im Verwaltungshandeln der Behörden zurückzuführen sind. Von Mutwilligkeit der Rechtsverteidigung und Beantragung entsprechender Hilfen kann da keine Rede sein. Gerade vor den Sozialgerichten, aber auch vor den Arbeitsgerichten, wo der Bürger mit einer übermächtigen Behörde oder einem überlegenen Arbeitgeber zu tun hat, ist die Herstellung von Waffengleichheit im Hinblick auf den Schutz des Schwächeren besonders wichtig.

Einen Schuss in den Ofen leisten sich die Initiatoren mit der Verlagerung des Beratungshilfeantrages vom Rechtsanwalt auf die Amtsgerichte. Um 30 Euro Beratungshilfe für den Rat eines Rechtsanwalts zu bekommen, sollen die Rechtssuchenden künftig erst zum nächsten Amtsgericht laufen und unter Darlegung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einen Antrag stellen. Heute regelt so etwas der Anwalt. Im Zuge der Schließung von immer mehr Gerichtsstandorten stellt das  besonders auf dem Land eine erneute Hürde für die Menschen dar, Rechtsrat zu bekommen. Aber auch die Amtsgerichte sind personell nicht auf die Antragsbearbeitungen eingestellt, so dass hier sehr viel höhere Personalkosten entstehen werden. Da geht der Schuss im wahrsten Sinne des Wortes nach hinten los.

Prozesskosten- und Beratungshilfe müssen nach dem Vorbild unserer europäischen Nachbarn erweitert und nicht eingeschränkt werden. Eines der reichsten EU-Länder, das immer gern mit dem Finger auf andere zeigend den  Status eines sozialen Rechtsstaates bemüht, darf nicht zum Schlusslicht werden.

linksfraktion.de, 14. März 2013