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Alexander UlrichFoto: DBT / Achim Melde

Währungsunion: Planlos in die Zukunft?

Im Wortlaut von Alexander Ulrich,

Von Alexander Ulrich, Obmann der Fraktion DIE LINKE im EU-Ausschuss


Am 31. Mai legte die EU-Kommission ihr Reflexionspapier zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) vor. Es geht um die Frage, wie die Eurozone bis 2025 politisch weiterentwickelt werden soll. Im Vergleich zu früheren Papieren wie dem 5-Präsidentenbericht, kommt das Dokument rat- und planlos daher. Es verstärkt den Eindruck, dass das neoliberale Weiter-so aus immer mehr Marktliberalisierung, Sozialabbau, Ausverkauf öffentlichen Eigentums und Machtverlagerung nach Brüssel nicht mehr funktioniert. Schauen wir zunächst kurz in die vier Kapitel:

Die Finanzunion unterteilt sich in Banken- und Kapitalmarktunion. Die Vorschläge zur Bankenunion sind die gleichen wie immer, ohne dass es irgendwelche Ideen gibt, wie die politischen Konflikte darum gelöst werden können. In die Kapitalmarktunion, durch die die Finanzmärkte weiter dereguliert werden sollen, könnte hingegen neuer Schwung kommen. Schließlich gilt es, die Brexit-Beute zu sichern: Um Großbanken von der City auf den Kontinent zu locken, braucht es ein gutes Angebot.

Unter dem Label der Wirtschaftsunion greift die Kommission die alte Idee einer Art Troika für alle auf: EU-Mittel aus dem Investitionsfonds und den Strukturfonds sollen künftig strikt an neoliberale Reformverpflichtungen und Souveränitätsverzichte gekoppelt werden. Ob dieser Ansatz mehr Erfolg haben wird als seine zahlreichen Vorgänger, bleibt abzuwarten.

Ähnliches ist bei der Fiskalunion vorgesehen, in deren Zentrum eine so genannte makroökonomische Stabilisierungsfunktion steht. Ein gemeinsames Budget der Eurozone soll geschaffen werden, um daraus Investitionen in Krisenländern und/oder eine europäische Arbeitslosenversicherung zu finanzieren. Beides mag gut klingen, hat aber Tücken. Investitionen aus dem Fonds und Leistungen der Arbeitslosenversicherung sollen nicht zusätzlich sein, sondern nationale Leistungen ersetzen. Das heißt, es gäbe kein Mehr an Investitionen und Arbeitslosenunterstützung, sondern eine Verlagerung von der nationalen auf die EU-Ebene und damit eine Ausgliederung aus den nationalen Systemen demokratischer Kontrolle.

Die vierte und letzte Union ist die politische Union. Die Ideen sind nicht neu: Die Eurogruppe, also jenes Gremium, das in den EU-Verträgen nicht auftaucht, von dessen Sitzungen es keine Protokolle gibt, das aber de facto die wesentlichen wirtschafts- und finanzpolitischen Entscheidungen der Eurozone trifft, soll weiter aufgewertet werden. Zudem soll ein Euro-Finanzministerium geschaffen werden, das für die Überwachung der nationalen Haushalte, die Stabilisierungsfunktion und die europäische Anleihe zuständig wäre.

Im Vergleich zum 5-Präsidentenbericht lässt sich festhalten, dass die Kommission an vielen Stellen zurückhaltender geworden ist. Dort, wo schon in der Vergangenheit politische Konflikte zwischen den dominanten Mitgliedsstaaten weitere Integrationsschritte verhinderten, bietet sie keine neuen Lösungen an. Das Papier enthält keine Vision, dafür viele politische Fragezeichen.

Keine Lösung bietet die Kommission auch für das Problem der mangelnden Durchsetzungsfähigkeit von Vertragsänderungen. Dieses Thema wird komplett ausgeklammert, obwohl zumindest ein Euro-Budget und ein Euro-Finanzministerium unter geltendem EU-Recht nicht zu haben sind. Zuletzt hat die Frankreich-Wahl gezeigt, dass entsprechende Vertragsänderungen, die ja in allen Mitgliedsstaaten, teilweise per Referendum, abgesegnet werden müssten, nicht realistisch sind.

Alles in allem ist die Kommission 2017 von einem klaren und realistischen Konzept zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion weiter weg als vor zwei Jahren. Angesichts des durch und durch anti-sozialen und anti-demokratischen Charakters der Vorschläge ist das keine schlechte Nachricht.