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Vorratsdatenspeicherung verstößt gegen EU-Grundrechtecharta

Im Wortlaut von Jan Korte,



Von Jan Korte, Leiter des Arbeitskreises V - Demokratie, Recht und Gesellschaftsentwicklung - der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

DIE LINKE sieht sich durch den heutigen Schlussantrag des Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Europarechtswidrigkeit der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung in ihrer langjährigen Kritik weitgehend bestätigt.

In seiner Einschätzung der Richtlinie entspricht das Gutachten von Generalanwalt Pedro Cruz Villalón im Kern der Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts, dass die Umsetzung der EU-Richtlinie in deutsches Recht bereits im Jahr 2010 als verfassungswidrig verworfen hatte.

Demnach verstoßen die mit der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung einhergehenden weitreichenden Eingriffe in die Rechte sämtlicher Nutzer von Telekommunikationsdiensten gegen europarechtlich verbürgte Grundrechte. Die Richtlinie sei in vollem Umfang mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union unvereinbar, da sie unter anderem in besonderer Weise in das Grundrecht auf Datenschutz und das Recht auf Achtung des Privatlebens eingreife.
 

Privatsphäre permanent bedroht

Zwar hält auch der Generalanwalt das Ziel der Richtlinie, im Interesse des Binnenmarktes kommunikative Bewegungsbilder sämtlicher EU-Bürgerinnen und -Bürger vorzuhalten, als solches bedauerlicherweise für legitim. Er betont aber völlig zu Recht, dass die Speicherung "des größten Teils der laufenden elektronischen Kommunikation der Unionsbürger (...) in gigantischen Datenbanken (...) einen qualifizierten Eingriff in das Privatleben dieser Bürger dar[stellt]. Die Erhebung dieser Daten schafft die Voraussetzungen für eine Überwachung, die (...) das Recht der Unionsbürger auf das Geheimnis ihres Privatlebens gleichwohl während der gesamten Dauer der Vorratsspeicherung permanent bedroht." (SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS PEDRO CRUZ VILLALÓN vom 12. Dezember 20131 - Rechtssache C-293/12, Rdnr. 72)

Das Gutachten bestätigt in zentralen Punkten die jahrelange Kritik. Und auch wenn es Vorratsdatenspeicherungen leider nicht prinzipiell ausschließt, so ist die Botschaft doch eindeutig: Vorratsdatenspeicherungen gefährden den Wesensgehalt der Rechte und Freiheiten und widersprechen dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit.

Union und SPD scheren sich nicht um Grundrechte

Dies war spätestens seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts klar. Dass Union und SPD dennoch jahrelang auf die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung auch hierzulande gedrängt und nun sogar noch kurz vor ihrer anstehenden Nichtigerklärung durch den Europäischen Gerichtshof deren Wiedereinführung im Koalitionsvertrag vereinbart haben zeigt, wie wenig sich CDU/CSU und SPD um die Grundrechte scheren. Wer nach dem NSA-Skandal nicht nur an Vorratsdatenspeicherungen festhält, sondern sogar noch mehr Überwachung fordert, ist eine ernste Gefahr für die Demokratie. Die Errichtung einer weltweiten digitalen Überwachungs- und Kontrollmaschinerie muss schnellstens gestoppt und rückgängig gemacht werden.

Sollte sich der Gerichtshof in seinem Urteil, welches für das erste Halbjahr 2014 erwartet wird, wie in den meisten Fällen bisher der Ansicht des Generalanwalts anschließen, würde die Richtlinie allerdings vermutlich nicht sofort ausgesetzt werden. Stattdessen könnte der EuGH anordnen, dass die EU-Gesetzgeber "innerhalb eines vernünftigen Zeitraums" die notwendigen Änderungen vorzunehmen haben.

Umso wichtiger wird es sein, dass die Bürgerinnen und Bürger den Schutz ihrer Grundrechte nicht Gerichten überlassen. Der Protest in- und außerhalb der Parlamente muss in den nächsten Monaten massiv zunehmen, damit die Regierungen zu einer Kehrtwende in der Innen- und Sicherheitspolitik bewegt werden. DIE LINKE wird ihren Anteil dazu beitragen.

linksfraktion.de, 12. Dezember 2013