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Von wegen »dazu gelernt«…

Im Wortlaut von Richard Pitterle,

 

Von Richard Pitterle, steuerpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag


In einem Werbespot der Commerzbank joggt eine Mitarbeiterin im grauen Kapuzenpullover und erzählt, sie würde oft gefragt, ob die "Investmentbanker eigentlich irgendwas dazu gelernt" hätten. Anschließend erklärt sie, dass die Commerzbank als erste deutsche Großbank etwas verändert hätte und dass sich Investmentbanking nun "sehr richtig" anfühlte.

So fadenscheinig diese Worte in der Werbung einer Großbank ohnehin schon klingen – vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Berichte über die Machenschaften der Commerzbank im Zusammenhang mit den sogenannten Cum/Cum-Geschäften wirkt diese Selbstbeweihräucherung geradezu bizarr. Ob die Commerzbank es wohl auch "sehr richtig" findet, dass diese Geschäfte die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler seit 2011 um schätzungsweise fünf Milliarden Euro gebracht haben?

Auf Kosten der Allgemeinheit ist alles erlaubt?

Die Cum/Cum-Geschäfte funktionieren folgendermaßen: Ausländische Investoren, die Aktien deutscher Unternehmen halten, müssen auf die Aktiendividende, also die Gewinnausschüttung, hierzulande Steuern zahlen, in der Regel 15 Prozent. Aber bevor die Dividende ausgezahlt wird, verleihen sie die Aktien kurzfristig an in Deutschland ansässige Banken, die dann an deren statt die Dividende erhalten. Zwar müssen die Banken dafür ebenfalls Steuern zahlen, sie können sich diese Steuern jedoch im Gegensatz zu den ausländischen Investoren anrechnen oder erstatten lassen. Danach gehen die Aktien zurück an die Investoren. Den so gesparten Betrag teilen sich die Beteiligten, während der Fiskus leer ausgeht. Die Regelung im Gesetz, die diese Praxis ermöglicht, haben wir übrigens der rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder zu verdanken, die sich ja leider auch an anderer Stelle für die Banken- und Finanzlobby stark gemacht hat.

Dass nun ausgerechnet die Commerzbank in den vergangenen Jahren auffallend häufig an solchen Cum/Cum-Geschäften beteiligt gewesen sein und die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler damit um viel Geld gebracht haben soll, ist besonders bitter: Es ist nämlich noch nicht so lange her, dass die Commerzbank mit Steuergeldern in Höhe von rund 18 Milliarden Euro aus der Finanzkrise gerettet wurde. Was hat die Commerzbank also dazu gelernt? Dass man sich auf Kosten der Allgemeinheit alles erlauben darf?

Weder Banken noch Regierung haben wirklich etwas dazu gelernt

Die Bundesregierung plant nun endlich eine Regelung, die unter anderem durch längere Aktienhaltefristen als Voraussetzung für Steuererstattungen solche kurzfristigen Geschäfte faktisch verhindern würde. Der Ansatz ist grundsätzlich richtig, allerdings birgt die neue Regelung immer noch Schlupflöcher, wie auch der Bundesrat bereits angemahnt hat. Es stellt sich (wie schon bei den Cum/Ex-Geschäften) daher die Frage: Wieso schaut die Bundesregierung bei solchen Machenschaften der Finanzindustrie stets erst jahrelang zu, bis sie halbherzige Maßnahmen gegen die Plünderung der Staatskasse auf den Weg bringt? Warum wird nicht endlich mehr Personal in den stark unterbesetzten Finanzverwaltungen eingestellt? Warum wird nicht bis hin zum Lizenzentzug scharf gegen die Banken vorgegangen, die an solchen Betrügereien beteiligt sind? DIE LINKE fordert das seit Langem. Es scheint aber, dass weder die Banken noch die Bundesregierung wirklich etwas dazu gelernt haben.

linksfraktion.de, 4. Mai 2016