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»Von der griechischen Regierung erwarte ich nichts«

Im Wortlaut von Stefan Liebich,

Foto: Uwe Steinert

 

 

Stefan Liebich über aktuelle außenpolitische Entwicklungen, die Gespräche von US-Außenminister John Kerry mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, die Besetzung von Falludscha und Ramadi im Irak, den Machtkampf im Südsudan und die vermeintliche Bestechung eines griechischen Spitzenbeamten durch eine deutsche Rüstungsfirma

US-Außenminister John Kerry war kürzlich fünf Tage lang im Nahen Osten, um mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas über ein Friedensabkommen zu sprechen. Ergebnisse gibt es noch keine, aber Kerry ist optimistisch. Sie auch?

Stefan Liebich: Man muss schon einen gewissen Grad an Optimismus haben, wenn man auf Frieden in dieser Region hofft, und den habe ich. Die Alternative wäre, sich mit der Situation abzufinden. Das jedoch wäre grundfalsch.

Angeblich sieht das von den USA ausgearbeitete Rahmenabkommen einen weitgehenden Rückzug Israels auf die Grenzen vor dem Sechs-Tage-Krieg 1967 vor. Viele jüdische Siedlungen müssten aufgelöst werden. Welchen innenpolitischen Preis müsste Netanjahu dafür bezahlen? Und hat er die Größe dazu?

Ich wäre gleichermaßen überrascht und erfreut. Auch in Israel wünschen sich sehr viele Menschen Frieden mit ihren arabischen Nachbarn und wissen, dass dieser nur zu erreichen ist, wenn sich alle Parteien aufeinander zubewegen. Das weiß sicherlich auch Israels Ministerpräsident.

Unruhe herrscht im Irak. Kämpfer des Al-Kaida-Ablegers Islamischer Staat versuchen sich im Westen des Iraks festzusetzen. Die Städte Falludscha und Ramadi haben sie Anfang der Woche unter ihre Kontrolle gebracht. Was braut sich dort zusammen?

Es hat sich ja dort schon längst etwas zusammengebraut, die Besetzungen von Falludscha, Ramadi und weiter Teile Westiraks durch die ISIS (Islamischer Staat in Irak und Syrien), einer offenbar Al Kaida nahestehenden Formation, belegen dies. Die Situation im Grenzgebiet zwischen dem Bürgerkriegsland Syrien und dem noch immer instabilen Irak ist ausgesprochen schwierig, eine schnelle friedliche Konfliktlösung erscheint derzeit nicht erreichbar. Umso wichtiger ist es, jegliche Waffenexporte in diese Region strikt zu unterbinden.

US-Außenminister John Kerry versprach, den Irak im Kampf gegen Al Kaida zu unterstützen. Truppen würden aber nicht entsendet. Wie bewerten Sie das?

Es ist zunächst zu begrüßen, dass es eine klare Absage an die Entsendung von Truppen gibt. Für eine solche Entsendung gäbe es derzeit auch keine völkerrechtliche Grundlage. Eine weitere Aufrüstung der Region, wie es die US Regierung mit der Lieferung von Hellfire-Raketen und anderen Waffensystemen noch in diesem Frühjahr an die Bagdader Regierung plant, wäre nicht nur der falsche Weg diese Krise zu lösen, sondern auch ein brandgefährlicher.

Die Lage im Südsudan hat sich weiter zugespitzt. Präsident Salva Kiir und sein einstiger Weggefährte und Vizepräsident Riek Machar liefern sich einen blutigen Kampf um Macht und Ressourcen. Die Friedensgespräche verlaufen schleppend. Wie kann der Bürgerkrieg eingedämmt werden?

Jetzt rächen sich die Versäumnisse nach der Spaltung des Landes. Eine Reform der Armee wäre dringend notwendig gewesen. Stattdessen wurden lose nach Ethnien sortierte Gruppen mit Waffen und Geld versorgt. Wichtig ist jetzt, dass den Menschen, die unter dem Konflikt leiden, geholfen wird. Es werden in den nächsten Tagen mehr als 400.000 Flüchtlinge erwartet und deren Versorgung muss oberste Priorität haben. Die Friedensgespräche müssen dringend wieder aufgenommen, ein Waffenstillstand vereinbart werden. Langfristig wird ein Frieden nur möglich sein, wenn es zu einer weiteren Entwaffnung der Bevölkerung und zur Aussöhnung der ethnischen Gruppen kommt.

Mit Griechenland hat Anfang Januar ein Sorgenkind der Eurozone für das erste Halbjahr 2014 die EU-Ratpräsidentschaft übernommen. Regierungschef Samaras hat die Agenda angeblich eng mit der EU-Kommission abgestimmt – es gehe vor allem um Bankenunion und Vertiefung der Währungsunion. Was erwarten Sie von der griechischen Ratspräsidentschaft, zumal im Mai Europawahlen anstehen?

Von der gegenwärtigen griechischen Regierung erwarte ich nichts. Sie ist an der kurzen Leine der vor allem aus Deutschland bestimmten Austeritätspolitik. Ich freue mich jedoch, dass der Oppositionsführer Alexis Tsipras als Spitzenkandidat der Europäischen Linken zu den Wahlen zum Europäischen Parlament antritt. Er steht für ein solidarisches Griechenland und Europa!

Kurz vor Jahresende belastete ein griechischer Spitzenbeamter das deutsche Rüstungsunternehmen Krauss-Maffei Wegmann (KMW) schwer. Um Aufträge an KMW zu vergeben, seien über einen Mittelsmann Schmiergelder in Millionenhöhe an ihn gezahlt worden. Offenbar sind weitere deutsche Unternehmen betroffen. Was erwarten Sie von der neuen Bundesregierung in dieser Sache?

Wir verlangen eine Aufklärung des gesamten Falles unter aktiver Mitwirkung der Bundesregierung, denn sie hat jegliche Rüstungsexporte zu genehmigen und trägt insofern Verantwortung. Daraus sollte natürlich Interesse resultieren, herauszufinden, wer sich hier bestechen ließ und wer davon wusste. Zudem sehen wir uns in unserer Position bestätigt, dass Waffenexporte grundsätzlich verboten werden sollen.

linksfraktion.de, 9. Januar 2014