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Vieles im Kulturbereich krankt

Im Wortlaut von Sigrid Hupach,

Serie: Ungleichheit in Deutschland, Teil 8

 

Von Sigrid Hupach, stellvertretende Vorsitzende und kulturpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 

Immer wieder hört man von Seiten der Koalition, sie hätte ihren Koalitionsvertrag bereits abgearbeitet und im Bereich der Kulturpolitik gäbe es nichts mehr zu tun. Nun haben wir als LINKE den Koalitionsvertrag keineswegs als der Weisheit letzten Schluss gehalten und dennoch rühren sich auch so Zweifel an der Behauptung.

Ein Beispiel für eine glatte Lüge ist der Umgang mit der Robert-Havemann-Gesellschaft. Die Koalition hatte sich verpflichtet, das Archiv zur DDR-Oppositionsgeschichte dauerhaft zu sichern. Dazu gehört nicht nur der Umzug in angemessene Räumlichkeiten, sondern die institutionelle Förderung. Statt die dafür erforderlichen Mittel in den Haushalt einzustellen, streitet man sich mit Berlin um die Zuständigkeit. Das keineswegs nur für Berlin bedeutsame Archiv gehört in das Gedenkstättenkonzept des Bundes aufgenommen und hälftig von Bund und Land finanziert. Stattdessen gibt es nun Geld für ein weiteres Projekt der Havemann-Gesellschaft. Hier zeigt sich der Trugschluss, an dem so vieles im Kulturbereich krankt: Nachhaltige Projektarbeit ist nicht möglich, wenn die Strukturen nicht dauerhaft gesichert sind.

Auch die durch die Beauftragte für Kultur und Medien ausgelobten Preise für Kulturelle Bildung, für Programmkinos, für inhabergeführte Buchhandlungen oder für kleine und mittlere Theater sind gut und richtig, da es in der Tat häufig an Anerkennung mangelt. Wichtiger ist es jedoch, die Kulturförderung grundsätzlich anders aufzustellen, um so Bund, Ländern und Kommunen ein gemeinsames Engagement für den Erhalt unseres breiten kulturellen Erbes und für die Förderung der kulturellen Vielfalt zu ermöglichen. Es ist doch aberwitzig, dass, um nur ein Beispiel zu nennen, das erfolgreiche Programm „Kultur macht stark“ zur Schaffung von mehr Bildungsgerechtigkeit und mehr gesellschaftliche Teilhabe durch Kulturellen Bildung über das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt abgewickelt werden muss. Das Programm hat sich dennoch als großer Erfolg erwiesen – vor allem, weil es auf die Expertise der Programmpartnerinnen und -partner und Akteure vor Ort zurückgreifen konnte. Um das Programm auch nach 2017 fortzuführen, hätte die Koalition schon längst mit den Vorbereitungen beginnen müssen.

Man ist fast geneigt zu hoffen, dass die Koalition hierbei nicht untätig ist, sondern es nur an Kommunikation mangelt – wie so häufig. Insbesondere die Bundesbeauftragte für Medien informiert uns Abgeordnete per Pressemitteilung gern über ihre Glückwunschschreiben an herausragende Kulturschaffende, nicht jedoch darüber, wie sie die blamable Leistung der Taskforce „Schwabinger Kunstfund“ zu NS-Raubkunst in der Privatsammlung von Cornelius Gurlitt bewertet, welche Schritte sie zur erforderlichen Neuaufstellung der in Streitfällen beratenden „Limbach-Kommission“ unternimmt oder wie der aktuelle Stand bei der Erarbeitung zivilrechtlicher Regelungen für den Umgang mit NS-Raubkunst in privatem Besitz ist.

Gleiches gilt für die Frage, welche Erwartungen die BKM an das zukünftige inhaltliche Konzept für das Humboldt-Forum hegt. Diese, wie es heißt, wichtigste Kulturbaustelle Deutschlands zeichnet sich bisher leider nur durch eine Aneinanderreihung von Superlativen aus – nicht jedoch durch eine erkennbare Idee, was man an diesem zentralen Ort Berlins verhandeln will. Arbeitskreise und Expertengremien gab und gibt es viele – nur keine Zusammenführung all der Überlegungen. Und vor allem mangelt es an einer breiten gesellschaftlichen Debatte, was hinter dieser ein Preußenschloss vorgaukelnden Fassade zukünftig geschehen soll; wie man den Auseinandersetzungen um den Abriss des Palasts der Republik gerecht werden könnte; wie man mit den Sammlungsbeständen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst umgehen will, die zu größten Teilen als Raubkunst zu bezeichnen sind; wie man den Dialog der Weltkulturen befördern will, wenn man zwar die Objekte im Land behalten, aber die Menschen aus den jeweiligen Regionen nicht hereinlassen will. Aber auch zur Finanzierung der Dekontamination und des Umzugs der Bestände aus den Dahlemer Museen in Höhe von ca. 20 Millionen Euro sowie der nach der Eröffnung jährlich anfallenden Betriebskosten in Höhe von ca. 56 Millionen Euro gibt es keine stichhaltigen Äußerungen von Seiten der Bundesregierung.

Und schließlich liegt auch bei der sozialen Lage von Künstlerinnen, Künstler und Kulturschaffenden noch immer viel im Argen. Sie sollte laut Koalitionsvertrag nachhaltig gesichert werden. Mit dem aktuellen Haushalt ist zwar ein wichtiger, längst überfälliger Schritt durch die Aufstockung der Personalmittel für durch Bundesmittel finanzierte Einrichtungen getan worden. Wir brauchen aber dringend Maßnahmen, um die prekären Lebens- und Arbeitsverhältnisse derjenigen Künstlerinnen und Künstler zu verbessern, die sich eben nicht in Angestelltenverhältnissen befinden, sondern als Freiberuflerinnen und -berufler oder Soloselbständige dicht am Existenzminimum leben. Die öffentliche Hand ist hier in der Pflicht, mit gutem Beispiel voranzugehen und zum Beispiel bei Ausreichung von Fördermitteln verbindlich festzulegen, dass Tarifvereinbarungen, gemeinsame Vergütungsregeln oder Honorarempfehlungen einzuhalten sind. Und schließlich brauchen wir endlich eine verbindliche Regelung der Anwartschaften für das Arbeitslosengeld I, die den besonderen Umständen der freien Kulturschaffenden gerecht wird.

Es bleibt also noch viel zu tun – Aktuelles wie Grundsätzliches!