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Caren Lay

Verschärfung der Mietenkrise verhindern: Mieter*innen entlasten – Konzerne zur Kasse!

Im Wortlaut von Caren Lay,

Von Caren Lay, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag


Die Corona-Krise hat das Potential, nicht nur in eine große wirtschaftliche Rezession zu führen, sondern auch die Mietenkrise weiter zu verschärfen. Es drohen größere soziale und ökonomische Verwerfungen als nach der Finanzkrise vor zehn Jahren. Die großen deutschen Wohnungskonzerne, deren Bestand hauptsächlich aus privatisierten öffentlichen und ehemals gemeinnützigen Wohnungen besteht, konnten in der Folge der Finanzkrise enorm von explodierenden Miet- und Immobilienpreisen profitieren. So konnten die Konzerne nach eigenen Angaben genug Rücklagen für diese Krise bilden. Bei abhängig Beschäftigten oder bei kleinen Gewerbetreibenden und Läden sieht das ganz anders aus. Sie dürften überproportional von wegbrechenden Aufträgen, also erheblichen Einnahmeausfällen und prekären Arbeitsverhältnissen betroffen sein, ohne dass entsprechende Rücklagen vorhanden sind. Durch die Corona-Krise droht die nächste große Verdrängungswelle von Mieter*innen und von kleinen Läden. Das gilt es zu verhindern!

Mieten senken statt Dividenden in Milliardenhöhe zahlen

Im März haben die beiden größten Immobilienunternehmen ihre Geschäftsberichte veröffentlicht. Vonovia, der größte Immobilienkonzern Deutschlands, verkündete 1,2 Milliarden Euro Gewinn – vor allem aus dem Vermietungsgeschäft. Beim zweitgrößten Wohnungskonzern, Deutsche Wohnen SE, sind es 480 Millionen Euro operativer Gewinn. Die Mieteinnahmen stiegen hier um durchschnittlich 3,4 Prozent. Deutsche Wohnen schüttete nun rund 324 Millionen Euro Dividenden aus – und das mitten in der Corona-Krise. Würde der Wohnungskonzern keine Dividende an die Aktionäre auszahlen, könnte jede Mietpartei dieses Jahr fast 2.000 Euro weniger Miete zahlen. Nehmen wir die Immobilienunternehmen LEG, TAG und Grand City hinzu, wurden sogar 1,6 Milliarden Euro Dividenden an Aktionärinnen und Aktionäre ausgeschüttet. Wie viel weniger Miete könnte weniger gezahlt werden, wenn nicht Shareholder bedient würden? Mietausfälle können diese Unternehmen verkraften. Eine staatliche Unterstützung brauchen diese Konzerne in der Coronakrise jedenfalls nicht.

Auch in der Öffentlichkeit dürfte das Verständnis für derlei Hilfsaktionen gering sein. Groß war die Empörung, als zunächst Adidas und dann viele andere, wie Saturn/MediaMarkt, H&M oder Deichmann ankündigten, in den nächsten Monaten keine Miete zahlen zu wollen. Adidas machte 2019 ein weltweites Rekord-Plus von 2 Milliarden Euro, die Rücklagen hat das Unternehmen Ende des Jahres mit 2,5 Milliarden Euro angegeben. Der Konzernchef Kasper Rorsted kassierte im vergangenen Jahr 6,6 Millionen Euro. Nun verzichtet er in der Krise auf die Hälfte seines Gehalts. Damit allein sind wohl die Filialmieten in Deutschland für das nächste halbe Jahr gesichert. Doch erst auf großen Druck und negative Schlagzeilen hin, entschuldigt sich zweitgrößte Sportartikelhersteller der Welt nun und will die Mieten doch weiter zahlen. Das Beispiel zeigt jedoch, wie nötig es ist, Konzerne an den Kosten der Krise zu beteiligen und staatliche Hilfen zu differenzieren und an Bedingungen zu knüpfen.

Niemand darf während der Corona-Krise seine Wohnung verlieren

In jedem Fall muss das Gesetz der Bundesjustizministerin, dass sie in Windeseile durch das Parlament gebracht hat, dringend nachgebessert werden. Demnach sind Corona-bedingte Kündigungen für die nächsten drei Monate ausgeschlossen. Kündigungen aus anderen Gründen sind jedoch weiter zulässig.

Zuvor hatte ich ein Sofortprogramm für Mieterinnen und Mieter gefordert und viele Mieteninitiativen Unterstützung eingefordert. Mein Standpunkt ist: Niemand darf während der Corona-Krise seine Wohnung verlieren! Alle Kündigungen müssen ausgeschlossen und Zwangsräumungen in der Krise verboten werden! Die beiden wichtigen Empfehlungen in der Krise: "Bleibt zuhause!" und "Haltet Abstand!" – lassen sich für Obdachlose und Geflüchtete schlichtweg nicht realisieren. Sammelunterkünfte sollten deshalb aufgelöst und Wohnungslosigkeit durch Unterbringung in leerstehenden Wohnungen, Hotels und AirBnB abgeholfen werden.

Auch die neue Regelung, die Miete für die nächsten drei Monate zu stunden, um sie innerhalb der nächsten beiden Jahre zurückzuzahlen, ist unzureichend. Zum einen können selbst milliardenschwere Großkonzerne davon profitieren. Für viele Mieter*innen wird das hingegen nicht leistbar sein. In den Städten mussten viele Menschen mit geringen und durchschnittlichen Einkommen bereits vor der Krise die Hälfte ihrer Einkommen für das Wohnen aufwenden. Für viele Haushalte, die knapp über dem Hartz-IV-Niveau liegen, in denen dringenden Zusatzeinnahmen zur Armutsrente wegbrechen, in denen Aufträge für Solo-Selbstständige und Kleingewerbe wegbleiben oder das Kurzarbeitergeld nicht ausreicht, wird die Miete nicht mehr bezahlbar sein. Sie werden auch in zwei Jahren die Mietschulden nicht nachzahlen können, weil sie schon unter normalen Bedingungen kein Geld zurücklegen können. Deshalb braucht es einen sofortigen Mietenstopp, eine Verlängerung der Mietstundungsmöglichkeit während der gesamten Pandemie, Mietsenkungsmöglichkeiten – und eine faire Kostenteilung nach der Corona-Krise.

Zahlungskräftige Großvermieter*innen an den Krisenkosten beteiligen

Wer soll die Kosten der Corona-Krise auf dem Wohnungsmarkt zahlen? Es kann nicht sein, dass die Lasten einseitig von Mieterinnen und Mietern getragen werden, ohne dass sich einnahmestarke Großvermieter an den Krisenkosten beteiligen. Zur Erinnerung: Schon jetzt zahlen Mieter*innen für die Folge der letzten Finanzmarktkrise mit explodierenden Mieten.

Die reichsten 10 Prozent der Gesellschaft besitzen circa 60 Prozent der Häuser. Die ärmere Hälfte der Gesellschaft besitzt hingegen nur 3 Prozent der Häuser. Die Verteilung von Immobilieneigentum zeigt eine Spaltung der Gesellschaft, die sich auch in den Vermögen ausdrückt. Besitzer*innen von Immobilien konnten ihre Vermögen in den vergangenen Jahren deutlich vergrößern. Der Median ihres Nettovermögens lag 2017 bei 277.000 Euro. Mieterhaushalte kamen lediglich nur auf ein Medianvermögen von 10.400 Euro. Für viele von ihnen stellen die Einnahmeausfälle in dieser Krise eine existentielle Bedrohung dar.

Daher ist es nur gerecht, zahlungskräftige Großvermieter*innen an den Krisenkosten zu beteiligen. Spanien macht vor, wie es geht: Dort wird bei Großvermieter*innen die Miete halbiert – das heisst, die Einnahmeausfälle müssen zur Hälfte von Mieter*innen und zur anderen Hälfte eben von Vermieter*innen getragen werden.

Klar ist auch: Für viele Kleinvermieter*innen, kommunale Wohnungsgesellschaften und Genossenschaften, die jetzt die noch vorhandenen bezahlbaren Wohnungen stellen, sieht die Situation anders aus: Viele von ihnen müssen Hypotheken bedienen oder können durch die Einnahmeausfälle in Insolvenz geraten, gerade weil sie kein Geschäft auf Kosten ihrer Mieter*innen machen. Für sie, also für diejenigen, die tatsächlich in eine wirtschaftliche Notlage geraten, braucht es Stundungsmöglichkeiten von Kreditzahlungen sowie einen Härtefallfonds, aus dem zinslose Kredite und Zuschüsse für zurückgenommene Mieterhöhungen sowie Mietsenkungen gewährt werden können.

Die großen Wohnungskonzerne mit den eingangs geschilderten riesigen Einnahmen, wären hierbei nicht die Zielgruppe. Unternehmen wie Vonovia, Deutsche Wohnen & Co können die vorübergehenden Gewinneinbußen durch den Verzicht auf Boni und Dividendenzahlungen gut verkraften.