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Verantwortung übernehmen – aber mit friedlichen Mitteln!

Nachricht von Wolfgang Gehrcke, Kathrin Vogler, Alexander S. Neu,

Die HerausgeberInnen des Friedensgutachtens 2015 bei der Bundestagsfraktion DIE LINKE

 

Am Mittwoch trafen sich die fünf HerausgeberInnen des „Friedensgutachtens 2015“ mit dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, Wolfgang Gehrcke, sowie den Abgeordneten Kathrin Vogler und Alexander Neu, um sich über das neue Gutachten, das am Tag zuvor veröffentlicht wurde, auszutauschen. Im Zentrum stand die Frage: Wie kommen wir zu einer friedlichen und friedensfördernden Außenpolitik? Die Situation in der Ukraine stand dabei im Fokus.

Die GutachterInnen, Repräsentanten von fünf renommierten Friedensforschungsinstituten – Institut für Entwicklung und Frieden, Institut f. Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg, Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, Bonn International Center for Conversion und Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft -, legten die wichtigsten Schwerpunkte ihrer Untersuchungen dar und stellten politische Handlungsempfehlungen, die sie aus ihren gewonnenen Erkenntnisse ableiten, zur Diskussion. Dabei wurde rasch klar, dass in den meisten Punkten Übereinstimmung herrschte. Andere Punkte wurden kontrovers diskutiert:

Die GutachterInnen nahmen die aktuelle Debatte um mehr internationale Verantwortung für Deutschland auf. „Will Deutschland mehr Verantwortung übernehmen, muss es auf eine präventive Außenpolitik setzen“, so die GutachterInnen. Sie empfahlen insbesondere eine Stärkung der Zivilen Krisenprävention und der Entwicklungszusammenarbeit und beschrieben damit zugleich auch die Leitlinien der internationalen Politik der Fraktion DIE LINKE. Wie diese lehnt das Gutachten eine Wahrnehmung dieser Verantwortung durch militärische Mittel ab.

Übereinstimmend wurde bedauert, dass die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) seit 1990 als sicherheits- und friedenspolitische Institution Europas in den Hintergrund gedrängt worden sei. Alle Anwesenden betonten, die OSZE solle als Alternative zur NATO wieder stärker auftreten können.

Hinsichtlich des Nahostkonflikts bestand Einigkeit in dem Bestreben, eine politische Lösung zu fördern und dabei durch die völkerrechtliche Anerkennung  eines Staates Palästina eine Zweistaatenlösung zu unterstützen – ein anerkannter Staat habe mehr Möglichkeiten zu Handeln.

Auch die Aussage der HerausgeberInnen, für die Flüchtlinge, die über das Mittelmeer nach Europa zu fliehen versuchen, brauche man „Fähren statt Kriegsschiffe“ und legale Reisewege statt illegaler Fluchtrouten, fand die Sympathie der LINKE-Abgeordneten. Damit wiesen die GutachterInnen in die gleiche Richtung wie die parlamentarischen Aktivitäten und Veranstaltungen der Fraktion DIE LINKE zu dieser Frage.

Ambivalent wurde sowohl von den Gästen als auch von den anwesenden Abgeordneten der Versuch der Bundesregierung bewertet, VertreterInnen der organisierten Zivilgesellschaft in den sogenannten Weißbuchprozess (Diskussionsprozess zur sicherheitspolitischen Lage und Aufstellung der Bundeswehr) einzubinden. Ein intelligenter Schachzug der Verteidigungsministerin, um ihrer Politik einen partizipativen Anstrich zu geben und mögliche KritikerInnen zu neutralisieren, sie gar zur Rechtfertigung von weiteren Militäreinsätzen zu instrumentalisieren? Oder doch immerhin die Möglichkeit, alternative Sichtweisen in den Prozess einzubringen und auf das vorherrschende militärische Denken einzuwirken?

Kontrovers verlief die Debatte über den Ukrainekonflikt: Hier übten die TeilnehmerInnen aus der Linksfraktion starke Kritik an Analyse und Empfehlungen des Gutachtens – insbesondere daran, dass darin der Anschluss der Krim an Russland als Ausgangspunkt der kriegerischen Auseinandersetzung dargestellt wird. Vielmehr sei diese Auseinandersetzung Teil des seit 2007 offen ausgetragenen Konfliktes zwischen Westeuropa und Russland, so Wolfgang Gehrcke. Er plädierte für eine differenziertere Sichtweise, die allen beteiligten Seiten ihren Anteil an Schuld zuweist. Das Ersetzen von „gemeinsamer Sicherheit“ durch „gemeinsame Werte“ in der politischen Sprache der USA und der europäischen Staaten habe dazu beigetragen, dass sich in Europa wieder ein Konflikt in der Ukraine entstehen konnte, so Wolfgang Gehrcke. Er appellierte daran, den Verhandlungsweg zu stärken und insbesondere das Abkommen von Minsk („Minsk II“) zu verteidigen. Einigkeit herrschte in der Ablehnung einer militärischen Lösung des Konflikts – Waffenlieferungen an die Ukraine (egal an welche Seite) seien abzulehnen.

linksfraktion.de, 11. Juni 2015