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Unternehmen umschiffen Leiharbeitstarife mit Werkverträgen

Nachricht von Jutta Krellmann,

Auswertung der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage "Werkverträge, Leiharbeit und Lohndumping im Einzelhandel"


Auch bei den offensichtlichen Stellschrauben sieht die Bundesregierung keine Handlungsnotwendigkeit. Die wichtigsten Einzelaspekte:

1. Verleiherlaubnis als Absicherung illegaler Scheinwerkverträge

Hier ist erhebliches Missbrauchspotential. Die Werkvertragsfirmen sichern sich mit einer Verleiherlaubnis vor den Folgen illegaler Scheinwerkverträge ab. Die Antwort der Bundesregierung beweist, dass konstant die Hälfte der Verleiherlaubnisse an Firmen geht, die keine reinen Leiharbeitsfirmen sind, sondern zum Beispiel auch als Werkvertragsfirmen tätig sind. Die Hälfte dieser Firmen sind aber nur Leiharbeitsfirmen auf Papier: Sie verleihen gar nicht. Wird eine Firma eines illegalen Scheinwerkvertrags überführt, dann gilt ihre Arbeit dann aber sofort als Leiharbeit und nicht als illegale Leiharbeit, die bedeutend härter bestraft wird. Für die Bundesregierung besteht hier aber kein Grund zum Handeln.

2. Statistische Erfassung von Werkverträgen zur systematischen Kontrolle von Werkverträgen

Die Bundesregierung sieht auch bei der ungenügenden statistischen Erfassung von Werkverträgen keinen Handlungsbedarf. Wer nichts weiß, muss nicht handeln – sie bleibt lieber selbst im Ungewissen. Sie lehnt es ab, Informationen über Werkverträge zu erheben, damit diese besser kontrollierbar sind. Kontrollen finden momentan jedoch kaum statt. Die Nachweispflicht und damit Beweislast liegt bei den Beschäftigten, und diese klagen während ihrer abhängigen Beschäftigung selten gegen ihr eigenes Unternehmen. Allein eine statistische Erhebung von Werkverträgen würde eine systematische Kontrolle ermöglichen und den Missbrauch von Werkverträgen voraussichtlich deutlich einschränken.

3. Der Werkvertrag-Drehtüreffekt

Ähnlich wie die Firma Schlecker bei der Ausgründung in firmeneigene Leiharbeitsfirmen handeln auch Rossmann, Lufthansa und andere, wenn sie ihrer Werkverträge "intern" vergeben. Sie gründen Tochterunternehmen beziehungsweise haben nennenswerte Beteiligungen an dem Unternehmen, die sie als Dumpinglohnkonkurrenz zu den eigenen Beschäftigten im Betrieb arbeiten lassen. Sie verdienen dadurch doppelt: an den gesparten Lohnkosten und an den Gewinnen ihrer Werkvertragsunternehmen. Aber selbst bei dieser perfiden Lohndumpingstrategie sieht die Bundesregierung keinen Grund, die Gesetzeslage zu korrigieren, die diese Praxis möglich macht.

Jutta Krellmann, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, fasst zusammen: "Werkverträge sind das neue Lohndumpinginstrument der Unternehmen in Deutschland. Das ist mehr als offensichtlich. Nur die Bundesregierung ignoriert diese Entwicklung konsequent.

Mit ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage beweist die Bundesregierung ein weiteres Mal ihre Untätigkeit. Seit unserer letzten Anfrage zu Werkverträgen vor genau einem Jahr hat sie rein gar nichts zur Lösung des Problems unternommen. Sie ist sich nach wie vor keines Problems bewusst. Erschreckend: Die Bundesregierung sieht auch weiterhin keinen Handlungsbedarf.

Das Marktforschungsinstitut Lünendonk kommt in seiner Studie zur Leiharbeitsbranche jedoch zu einem ganz anderem Ergebnis: Laut FAZ vom 2. Juli 2012 kommt sie in ihrer aktuellen Studie zu dem Schluss, dass Unternehmen als Reaktion auf die tarifliche Regulierung der Leiharbeit auf Werkverträge ausweichen. Die Bundesregierung verschließt also systematisch die Augen vor der Realität.

Die Möglichkeiten des Missbrauchs bei Werkverträgen sind vielfältig und reichen von illegalen Scheinwerkverträgen, die faktisch kaum geahndet werden, bis zu ganz legalen Werkverträgen, die zum Lohndumping genutzt werden. Faktisch schützt die Bundesregierung damit die Lohndumping-Geschäftspraktiken von Rossmann & Co.

DIE LINKE fordert eine konsequente Ahndung von Scheinwerkverträgen, Equal Pay für Ausgliederungswerkverträge und die Mitbestimmung von Betriebsräten bei der Vergabe und Kontrolle von Werkverträgen. So kann die Lohndumping-Werkvertragspraxis trocken gelegt werden.“