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Unter-, Über- und Fehlversorgung stoppen

Kolumne von Klaus Ernst,

 

 

Von Klaus Ernst

 

Die Zwei-Klassen-Medizin hat viele Gesichter. Weil die Ärztinnen und Ärzte für die Behandlung von Privatpatientinnen und -patienten mehr Geld erhalten, werden diese häufig bevorzugt. So haben Privatversicherten durchschnittlich kürzere Wartezeiten. Das betrifft insbesondere Facharzt-Termine. Sie sind nicht von Leistungskürzungen betroffen, etwa bei nicht rezeptpflichtigen Arzneimitteln wie leichte Schmerzmittel, Hustenblocker, Allergiemittel oder Schnupfenspray. Auch ob jemand durch eine Chefärztin oder einen Chefarzt behandelt wird, richtet sich nicht selten nach dem Versichertenstatus. Gutverdienende leben im Schnitt 10 Jahre länger als Geringverdienende und werden später zum Pflegefall. Was für ein Zugewinn an Lebensqualität! Seit der Agenda 2010 und Hartz IV verkürzt sich die Lebenserwartung von sozial Schwachen weiter. Sie profitieren immer weniger vom medizinischen Fortschritt.

Die Ursachen sind politisch gewollt. In den letzten Jahren wurde das Gesundheitswesen immer stärker an Markt- und Gewinninteressen ausgerichtet. Profit und Wettbewerb führen dazu, dass notwendige Behandlungen abgelehnt werden und Ärztinnen und Ärzte vermehrt teure Leistungen ohne nachgewiesenen Nutzen anbieten. Unter dem neoliberalen Dogma der Eigenverantwortung sind alle anderen Parteien einer Meinung: Es werden Leistungen gekürzt und Kosten auf Versicherte und Patientinnen und Patienten verlagert, um die Arbeitgeber zu entlasten. Die Folgen sind überall spürbar: Kliniken schreiben seit Jahren rote Zahlen, der Druck auf die Beschäftigten steigt, es gibt Unter-, Über- und Fehlversorgung. Krankenkassen gehen zu einer restriktiven Bewilligungspraxis über, um Zusatzbeiträge zu vermeiden und so fort. Soziale Ungerechtigkeiten durch Ungleichbehandlung, aber auch die ungerechte Finanzierung, ist im Gesundheitsbereich drastisch spürbar.

Das Nebeneinander von gesetzlicher Krankenversicherung (GKV) und privater Krankenversicherung (PKV) als Vollversicherung ist unsinnig und einmalig in Europa. Es ist ein Merkmal der Zwei-Klassen-Medizin. Privat krankenversichert sind besonders gesunde, junge, kinderlose und gutverdienende Menschen. Der GKV werden dadurch Beiträge entzogen. So schwächt die PKV nicht nur die Solidarität, sondern gefährdet die finanzielle Stabilität der GKV. Viele privat Versicherte merken im Alter oder in einer Notlage, dass sie in der solidarischen Versicherung besser aufgehoben wären. Der Gesetzgeber hat das Rückkehrrecht bewusst beschränkt, damit nicht nur kranke und alte Menschen gesetzlich versichert sind. Solidarität ist nicht teilbar.

Anders als andere Parteien stellt DIE LINKE das duale Versicherungssystem grundsätzlich in Frage. Unser Konzept einer solidarischen Gesundheitsversicherung sieht die Abschaffung der PKV als Vollversicherung vor und will sie auf Zusatzversicherungen beschränken. Alle zahlen mit allen Einkommen und Einkommensarten ein, alle werden gleichermaßen gut versorgt, der medizinische Fortschritt wird einbezogen. Durch den niedrigeren Beitragssatz von knapp über 10 Prozent wären bis zu einem Einkommen von 6.000 Euro im Monat noch deutliche Einsparungen spürbar. Die unteren und mittleren Einkommen würden entlastet.

DIE LINKE möchte Solidarität und Qualität in der Gesundheitsversorgung und ein Ende der Zwei-Klassen-Medizin. Auch wer wenig Geld hat, soll die Möglichkeit haben, seine Gesundheit gut zu erhalten. Eine solidarische Gesellschaft muss Reichtum von oben nach unten, von privat nach öffentlich verteilen und damit eine leistungsfähige öffentliche Daseinsvorsorge für alle bereitstellen. Alle medizinisch notwendigen Leistungen sind wieder von der Krankenkasse zu bezahlen - auch Brillen und Zahnersatz. Zusatzbeiträge und Zuzahlungen werden abgeschafft. Wir setzen uns für eine wissenschaftlich fundierte Versorgung ein, die nicht den Gewinn für die Anbieter, sondern die optimale Therapie für die Patientinnen und Patienten und bestmögliche Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten in den Mittelpunkt stellt.