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Unbezahlte Überstunden in Baden-Württemberg: Unternehmen sparen Milliarden an Lohnausgaben

Nachricht von Jessica Tatti,

Auswertung für Baden-Württemberg der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Überstunden in Deutschland“ (Drs.19/13407) der Fraktion DIE LINKE im Bundestag


Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse:

 

In Baden-Württemberg machten Beschäftigte im Jahr 2018 145,5 Millionen Überstunden. Dies entspricht im Durchschnitt rund 23 Stundenfür jeden Erwerbstätigen1 und 1,8% aller geleisteten Arbeitsstunden. Im Ländervergleich liegt Baden-Württemberg damit nach Hamburg (2,4%), Schleswig-Holstein (2,1%) sowie NRW und Rheinland-Pfalz (1,9%) auf Platz 4 bei den Überstunden. Das Arbeitsvolumen von bezahlten und unbezahlten Überstunden würde ausreichen, um 88.277 zusätzliche Vollzeit-Arbeitsplätze in Baden-Württemberg zu schaffen.2

Mehr als die Hälfte der Überstunden (78,9 Millionen Arbeitsstunden oder 1,0 % aller geleisteten Arbeitsstunden) blieben 2018 in Baden-Württemberg unbezahlt. Damit wurden den Beschäftigten im Jahr 2018 rechnerisch 2,76 Milliarden Euro3 an Lohn durch die Unternehmen vorenthalten.

In einer bundesweiten Befragung gibt ein Drittel der Beschäftigten mit mehr als zwei Überstunden in der Woche als Grund an, die Arbeit in der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit nicht zu schaffen. Insgesamt entstehen 80 Prozent der Überstunden aus betrieblichen Zwängen – 4 Prozentpunkte mehr als 20154.

 

Dazu erklärt Jessica Tatti:

"Jahr für Jahr leisten Beschäftigte bundesweit Milliarden an Überstunden. Skandalös ist, dass jede zweite Überstunde unbezahlt bleibt. Dieser Lohndiebstahl muss endlich gestoppt werden. Es ist verantwortungslos, wie sich viele Arbeitgeber auf Kosten der Gesundheit ihrer Beschäftigten bereichern. Immer mehr Beschäftigte leiden zunehmend unter Arbeitshetze und Überlastung.

Die Überstunden in Baden-Württemberg würden rechnerisch ausreichen, um für fast 90.000 Menschen eine Vollzeitstelle zu schaffen. Wir müssen endlich über eine gerechtere Verteilung von Arbeit sprechen. Es ist inakzeptabel, dass die einen bis zum Umfallen schufen, während andere unfreiwillig in der Teilzeitfalle stecken oder überhaupt keine Arbeit mehr finden."

 

Ergebnisse im Einzelnen (Siehe Tabelle 3):

  • Laut Mikrozensusleisteten die abhängig Beschäftigten im Jahr 2017 in Baden-Württemberg 145,481 Millionen Überstunden;
    • dies entspricht 88.277 Vollzeitäquivalenten (berechnet mit der durchschnittlichen Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten des IAB im Jahr 2018);
  • davon waren 66,6 Millionen Überstunden bezahlt (45,8%);
  • 78,9 Millionen Überstunden waren unbezahlt (54,2%).
  • Multipliziert man die Anzahl unbezahlter Überstunden in 2018 (78,9 Millionen) mit den durchschnittlichen Arbeitskosten je geleisteter Stunde gemäß Statistischem Bundesamt für 2018 (35,00 €/h), dann kommt man auf 2,76 Milliarden Euro an eingesparten Lohnkosten durch Nichtbezahlung von Überstunden.
  • In den Berufsbereichen „Geisteswissenschaften, Kultur und Gestaltung“ (3,1%) sowie „Gesundheit, Soziales, Lehre und Erziehung“ und „Handel, Vertrieb, Hotel und Tourismus“ (jeweils 2,2%) leisteten Baden-Württemberger Beschäftigte die meisten Überstunden.5
  • Im Ländervergleich liegt Baden-Württemberg (1,8%) nach Hamburg (2,4%), Schleswig-Holstein (2,1%) sowie Rheinland-Pfalz und NRW (1,9%) auf Platz 4 bei den Überstunden auf Platz 4 hinsichtlich des Anteils der Überstunden an allen geleisteten Arbeitsstunden.
  • Im Ländervergleich liegt Baden-Württemberg (1,0%) nach Hamburg (1,5%), Schleswig-Holstein (1,2%), Hessen und Rheinland-Pfalz (1,1%) auf Platz 4 hinsichtlich des Anteils an unbezahlten Überstunden von allen geleisteten Arbeitsstunden.
  • Ein Drittel der Beschäftigten mit mehr als zwei Überstunden in der Woche gibt als Grund an, die Arbeit in der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit nicht zu schaffen. Insgesamt entstehen 80 Prozent der Überstunden aus betrieblichen Zwängen – 4 Prozentpunkte mehr als 2015.6

 

 

 


Durchschnittlicher Wert errechnet aus der Anzahl der Erwerbstätigen in Baden-Württemberg und den gesamten Überstunden aus Tabelle 2

Im Jahr 2018 entsprach die tatsächliche Arbeitszeit 1.648 Stunden je Vollzeitbeschäftigten (vgl. Frage 13, Tabelle 40)

Auf Basis der durchschnittlichen Arbeitskosten je geleisteter Stunde 2018 (35,00 €/h) laut Statistischem Bundesamt https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2019/04/PD19_164_624.html

4 Vgl. dazu auch BT-Drs. 19/6187, Frage 15

5 Vgl. dazu Klassifikation der Berufe 2010 https://www.arbeitsagentur.de/datei/Klassifikation-der-Berufe_ba017989.pdf S. 64-65

6 BT-Drs. 19/6187, Frage 15; BAuA-Arbeitszeitbefragung 2015 und 2017