Zum Hauptinhalt springen

Unabhängigkeit ist Trumpf

Im Wortlaut von Jutta Krellmann,

        Foto: Christian Heyse

 

Von Jutta Krellmann, gewerkschaftspolitische Sprecherin der Fraktion

 

Herzlichen Glückwunsch an den neu gewählten DGB-Vorsitzenden Reiner Hoffmann zum guten Wahlergebnis auf dem DGB Bundeskongress am Montag. Die vor ihm liegenden Aufgaben sind alles andere als einfach, die Herausforderungen für die Gewerkschaftsbewegung groß. Die Presse bejubelt die Wiederauferstehung des DGB. Aber das ist kein Selbstläufer. Wir sehen uns konfrontiert mit einem Sozialstaat, der in den letzten drei Jahrzehnten von neoliberaler Wirtschaftspolitik verwüstet wurde und einem zerklüfteten Arbeitsmarkt, auf dem nicht wenige Menschen mit Armuts- und Niedriglöhnen sowie schlechten Arbeitsbedingungen abgespeist werden.

Eines ist sicher: Ohne die Gewerkschaften lassen sich diese Probleme und Aufgaben nicht bewältigen. Und gerade deshalb ist es wichtig, dass die Gewerkschaften aus den Entwicklungen und Erfahrungen der letzten Jahre die richtigen Rückschlüsse ziehen. Die von SPD und Grünen beschlossene Agenda 2010 hat gezeigt, dass die Idee der Einheitsgewerkschaft  wiederbelebt werden muss – mit neuer Kraft und neuem Selbstbewusstsein.

Für die deutschen Gewerkschaften war die arbeitnehmerfeindliche Agenda-Politik der Ausgangspunkt für eine schmerzhafte Abkehr von der SPD. Jetzt besteht die Hoffnung, zumindest einige Löcher zu kitten.

Aber wer garantiert mir als Gewerkschaftsmitglied, dass die SPD in der nächsten Krise nicht wieder eine Rolle rückwärts macht? Was hat sich an der Politik der von der SPD mitgetragenen dritten Merkel-Regierung geändert?

Der von der Großen Koalition beschlossene Mindestlohn enthält zwei gravierende Ausnahmen, ausgerechnet für die sowieso schon abgehängten Jugendlichen und Langzeitarbeitslosen. Die drohende massive Altersarmut wird von Union und SPD im Moment noch nicht einmal in Sonntagsreden bedacht, geschweige denn mit der notwendigen umfassenden Rentenreform durch eine Wiederanhebung des Rentenniveaus. Die Rente mit 63 bei 45 Versicherungsjahren gilt für einen einzigen Jahrgang, die anderen Beitragszahler/innen gehen leer aus. Das hat mit einer Abkehr von der Rente erst ab 67 nichts zu tun.

Richtig ist, dass die Agenda 2010 mit ein wenig sozialer Kosmetik versehen wird und es sich um die ersten Verbesserungen in dem Bereich seit zehn Jahren handelt. Aber ein politischer Kurswechsel ist es nicht.

Die Gewerkschaften haben in den letzten Jahren Boden gut gemacht. Der negative Trend bei der Entwicklung der Mitgliedszahlen konnte ausgebremst werden und die Gewerkschaften konnten erfolgreich eine Gegenöffentlichkeit zu der neoliberalen Politik aufbauen. Der Zeitgeist spricht heute wieder eine andere Sprache. Und dieses Pfund sollte nicht verspielt werden. Die neue Glaubwürdigkeit bei vielen abhängig Beschäftigten kann der DGB nur weiter ausbauen, wenn er das Profil der Gewerkschaften als Einheitsgewerkschaft weiter stärkt. Und das heißt eben, parteiunabhängig die Interessen aller Beschäftigten, Erwerbslosen und Rentner/innen im Blick zu haben, offensiv zu mobilisieren und zu vertreten. Die Einheitsgewerkschaft ist nicht nur ein hohes Gut der deutschen Gewerkschaftstradition. Sie ist auch der Schlüssel für eine erfolgreiche gewerkschaftliche Strategie und Praxis, die wir brauchen, um die wirtschaftlichen und sozialen Probleme in der Bundesrepublik zu lösen.

Ich weiß, dem neuen DGB-Vorsitzenden werden dieser Tage viele Ratschläge gegeben. Der von manchen vorgebrachte Rat, vor allem den erneuten Schulterschluss mit der SPD zu suchen, gehört vielleicht nicht zu den besten. Unabhängigkeit ist Trumpf.

linksfraktion.de, 13. Mai 2014