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»Turbo-Putzen bringt Turbo-Gewinne«

Nachricht von Klaus Ernst,

Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Arbeitsbedingungen in der Gebäudereinigung“, BT-Drs. 18/05911, von Klaus Ernst u.a. und der Fraktion DIE LINKE

 

Nach drei gescheiterten Runden werden am 13. Oktober die Tarifverhandlungen im Gebäudereiniger-Handwerk fortgesetzt. Das Gebäudereiniger-Handwerk erwirtschaftete 2014 einen Umsatz von knapp 15 Milliarden Euro. 

Die Arbeit in der Gebäudereinigung ist atypisch, weiblich und prekär – und außerordentlich schlecht bezahlt. Die Beschäftigung im Wirtschaftszweig „Reinigung von Gebäuden, Räumen und Inventar“ erfolgt mehrheitlich über Minijobs. Obwohl das Arbeitsvolumen von 2004 bis 2014 um 53 Prozent stieg, wuchs die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in dem Zehnjahreszeitraum lediglich um 23 Prozent. Vollzeitbeschäftigung wurde drastisch abgebaut. Nur rund 13 Prozent aller Beschäftigten in der Branche haben überhaupt eine Vollzeitstelle. Die Mehrheit arbeitet in Teilzeit, die deutlich zugenommen hat, oder in Minijobs. 

Der überwiegende Teil sind Frauen zwischen 45 und 55 Jahren. Laut Statistischem Bundesamt arbeiten 80 Prozent der Beschäftigten in dem Bereich im Niedriglohnsektor, insbesondere im Osten Deutschlands. Knapp 1 Milliarde Euro musste der Bund in 2013 an aufstockenden Sozialleistungen aufbringen, um die Existenz der Beschäftigten im Wirtschaftszweig zu sichern. Beschäftigte in der Gebäudereinigung klagen überdurchschnittlich oft über Stress und Arbeitsdruck. 

"Es ist unerträglich, dass eine wachsende Branche ein Jobgefüge etabliert hat, das auf prekärer Beschäftigung basiert und damit Milliardenumsätze einfährt", kommentiert Klaus Ernst die Entwicklung. "Turbo-Putzen bringt Turbo-Gewinne. Die Beschäftigten – überwiegend Frauen- werden mit Dumpinglöhnen abgespeist und die Mehrheit hat keine soziale Absicherung. Dies Ausbeutungsmodell wird dann auch noch vom Staat subventioniert durch aufstockende Sozialleistungen. Damit muss Schluss sein. Arbeit muss sozialversicherungspflichtig sein und gut bezahlt werden."

 

Ergebnisse im Einzelnen:
  • Im Juni 2014 waren im Wirtschaftszweig „Reinigung von Gebäuden, Räumen und Inventar“ 407.000 Personen sozialversicherungspflichtig beschäftigt, was einer Zunahme von rund 24 Prozent entspricht ggü. Juni 2004 (329.000) (Frage 1). Neben den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten waren im Juni 2014 rund 448.000 geringfügig Beschäftigte in der Branche tätig. Im Jahr 2004 waren es rund 466.000 (Frage 1).
  • Von den 407.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten waren im Juni 2014 nur rund ein Viertel (114.000 / 28%) sozialversicherungspflichtig in Vollzeit beschäftigt (Frage 1). Fast drei Viertel (293.000 / 72%) aller Beschäftigten in der Branche arbeiteten im Juni 2014 Teilzeit (Frage 1, Tabelle 1a und b).
    • Noch im Juni 2004 lag der Anteil der Vollzeitbeschäftigten an allen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten bei knapp der Hälfte (154.000 / 47%), die der Teilzeitbeschäftigten bei 53% (176.000). (Frage 1, Tabelle 1a und 1b)
    • Der Anteil der sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigungen an allen Beschäftigungen (geringfügige mit eingerechnet) lag 2014 bei gerade mal 13,3 Prozent. 
  • Die durchschnittlich geleistete Wochenarbeitszeit in der Gebäudereinigung lag 2014 bei 27,6 Stunden (2004: 26,8 Stunden) (Frage 7) In den Jahren 2004 bis 2014 schwankte sie zwischen 24,1 und 28 Wochenstunden. 
  • Das Jahresarbeitsvolumen in der Gebäudereinigung hat von 2004 bis 2014 um 53% zugenommen (Frage 8).
  • Im Juni 2014 waren 70% der geringfügig Beschäftigten und 82% der Teilzeitbeschäftigten weiblich. (Tabelle 1a und b)
  • Weibliche Beschäftigte im Alter von 45-55 Jahren stellen zahlenmäßig die größte Gruppe sowohl bei den geringfügig Beschäftigten (91.000, das entspricht einem Anteil von 20% an allen geringfügig Beschäftigten) als auch bei den Teilzeitbeschäftigten (90.000, das entspricht einem Anteil von 30% aller Teilzeitbeschäftigten). (Tabelle 1a und b)
  • Der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst Vollzeitbeschäftigter in dem Wirtschaftszweig „Gebäudebetreuung, Garten- und Landschaftsbau“, in den auch die Gebäudereinigung einzuordnen ist, lag 2014 bei 2440 Euro, was nur 70% des durchschnittlichen Bruttomonatsverdienstes aller vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (3 527 Euro, Quelle: Statistisches Bundesamt) entspricht. (Frage 12)
  • Der Anteil der niedriglohnbeziehenden sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (in Betrieben mit zehn oder mehr Beschäftigten) in dem Wirtschaftszweig „Reinigung von Gebäuden, Straßen und Verkehrsmittel“ lag 2006 bei 79,8 Prozent und 2010 bei 81,5 Prozent. Besonders betroffen sind Frauen (87%), junge Beschäftigte im Alter von 15 – 25 (84%), sowie Beschäftigte aus den östlichen Bundesländern. Im Vergleich dazu: der Anteil der Niedriglohnbeschäftigten des produzierenden Gewerbes und des Dienstleistungsbereiches insgesamt liegt bei 20,6%. (Frage 14)
  • Im Juni 2014 gab es in dem Wirtschaftszweig der „Reinigung von Gebäuden, Straßen und Verkehrsmitteln“ im Bundesgebiet 57.000 sozialversicherungspflichtig beschäftigte ALGII-Bezieherinnen und Bezieher, was einem Anteil von 15,5 Prozent an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in diesem Bereich entspricht. Bei den Minijobs  bezogen fast ein Viertel (24,2 Prozent / 48.000) Leistungen nach dem SGB II. (Frage 15, Tabelle 15.1 und 15.2)
  • Im Jahr 2013 wurden rund 923 Millionen Euro für Aufstockungsleistungen nur im Wirtschaftszweig der „Reinigung von Gebäuden, Straßen und Verkehrsmitteln“ aufgewendet. Davon waren 431 Millionen Euro Leistungen für Aufstockerinnen und Aufstocker, die sich in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis befanden und 492 Millionen Euro Leistungen für ausschließlich geringfügig Beschäftigte. (Frage 16, Tabelle 16.1 bis 16.4)
  • Männer arbeiteten 2014 im Schnitt 33,6 Stunden pro Woche (2004: 34 Stunden), Frauen 21,5 Stunden (2004: 21,7 Stunden). Diese Werte sind in den letzten zehn Jahren annähernd konstant geblieben (Durchschnitt Männer: 32,9 Stunden, Durchschnitt Frauen: 20,5 Stunden) 
  • Von den abhängig Beschäftigten mussten 2014 rund 40 Prozent samstags und 18 Prozent Samstag und Sonntag arbeiten. 2004 lagen diese Werte bei 35 Prozent (Samstagsarbeit) und 13 Prozent (Samstags-/Sonntagsarbeit). (Frage 9)
  • Mit mehr als zwei Drittel haben in die Beschäftigten in der Gebäudereinigung in den letzten zwei Jahren überdurchschnittlich oft von gleich bleibendem Stress bzw. Arbeitsdruck berichtet (76,3 Prozent gegenüber 50,7 Prozent in anderen Berufsgruppen). (Frage 31)

 

Andere Quellen: 

  • Nach Daten des Statistischen Bundesamtes aus der Handwerkszählung hat das Gebäudereiniger-Handwerk im Jahr 2014 einen Umsatz von 14.774.573.000 Euro erwirtschaftet. 

linksfraktion.de, 6. Oktober 2015