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Trügerischer Arbeitsmarkt

Nachricht von Sabine Zimmermann,

Immer mehr kleine Billigjobs ersetzen Vollzeitarbeitsplätze

Wenn zum Monatswechsel die neuen Arbeitsmarktzahlen bekannt gegeben werden, spricht die Bundesregierung jedes Mal von einem Jobwunder in Deutschland. Aber nach einer Anfrage der arbeitsmarktpolitischen Sprecherin der Fraktion, Sabine Zimmermann, bei der Regierung handelt es sich dabei weitgehend um einen statistischen Effekt. In den vergangenen Jahren wurde kaum mehr Arbeit geschaffen. Neue Jobs entstanden vor allem dadurch, dass unbefristete Vollzeitarbeitsplätze in kleine Teilzeitjobs aufgesplittet wurden.

Nach Angaben der Bundesregierung stieg von 2002 bis 2010 zwar die Zahl der Erwerbstätigen um 1,3 Millionen oder gut 3 Prozent auf 40,5 Millionen. Legt man jedoch das Arbeitszeitvolumen zugrunde und rechnet dieses in Vollzeitstellen um (sogenannte „Vollzeitäquivalente“), ergibt sich ein rechnerisches Minus von 79.000 Stellen. Noch dramatischer wird das Bild, geht man ins Jahr 1992 zurück. Seitdem stieg die absolute Zahl der Erwerbstätigen um 2,4 Millionen oder 6,2 Prozent. In Vollzeitstellen umgerechnet, ergibt sich jedoch ein Minus von 1,9 Millionen oder 5,2 Prozent.

Wie aus der Antwort der Bundesregierung weiter hervorgeht, sind von 2002 bis 2010 ausschließlich sogenannte atypische Beschäftigungsverhältnisse gewachsen. Bei den befristeten Beschäftigungsverhältnissen gibt es ein Plus von 830.000 oder 43 Prozent, bei den Minijobs ein Plus von 665.000 oder 36 Prozent. Die sozialversicherungspflichtige Teilzeitarbeit ist um 708.000 oder 17 Prozent gewachsen. Zurück gegangen ist allein das klassische Normalarbeitsverhältnis, die unbefristete Vollzeitarbeit, und zwar um 466.000 Stellen. Ihr Anteil an allen Erwerbstätigen betrug 2010 nur noch 66 Prozent nach 71 Prozent 2002. Nicht erfasst in der Rechnung der Bundesregierung ist die Leiharbeit, deren Daten erst seit 2006 erhoben werden.

Sabine Zimmermann, arbeitsmarkpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag kritisiert: „Das angebliche Jobwunder beruht auf einem Boom von kleinen Billigjobs, von denen man nicht leben kann. Die Regierung weiß natürlich davon. Aber statt diese Fehlentwicklung zu benennen erzählt die Arbeitsministerin regelmäßig ihr Märchen vom Jobwunder und täuscht die Öffentlichkeit.“

Nach Meinung der Abgeordneten hängt die Fehlentwicklung eng mit den Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010 zusammen, die vor knapp zehn Jahren von SPD, Grünen und Union beschlossen wurden und ab 2003 in Kraft traten: „Die Hartz-Gesetze wirken. Sie haben jedoch nicht zu mehr Arbeit geführt, sondern gute und sichere Arbeitsplätze in prekäre Jobs mit Niedriglöhnen umgewandelt. Das ist schön für die Arbeitsmarktstatistik aber schlecht für Millionen Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer und Erwerbslose.“

Zimmermann fordert: „Wir brauchen einen arbeitsmarktpolitischen Kurswechsel, um gute und sichere Arbeit zu stärken. Als Erstes ist ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn einzuführen. Zudem müssen Beschäftigte in Minijob und Leiharbeit einen Zugang zu gutbezahlter und abgesicherter Arbeit bekommen. Die Politik kann auch selbst mehr Arbeitsplätze schaffen, etwa mit einem Zukunftsprogramm für mehr und bessere öffentliche und soziale Dienstleistungen.“