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Trotz Lockdown immense Zahl an Überstunden

Im Wortlaut von Susanne Ferschl,

Es klingt paradox: Obwohl die Wirtschaft und unser Privatleben den Regeln des Lockdown unterworfen und empfindlich eingeschränkt wurden, haben sich die Überstunden kaum reduziert. Das zeigen Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung IAB.

Im ersten Halbjahr 2020 leisteten die Beschäftigten 794 Millionen Überstunden – ein Rückgang um 110 Millionen Stunden gegenüber 2019. Der Großteil davon, 423 Millionen, wurden nicht bezahlt, lediglich 370 Millionen waren bezahlte Überstunden. Bei den bezahlten Überstunden ist ein lockdownbedingter Einbruch erkennbar: Wurden im ersten Quartal 2020 noch 207 Millionen Überstunden gemacht, sind es von April bis Juni "nur" 163 Millionen Überstunden. 

Wesentlich schwächer fällt der Rückgang bei den unbezahlten Überstunden aus. Hier liegt die Differenz lediglich bei 13 Millionen Stunden. Von Januar bis März 2020 leisteten Beschäftigte 218 Millionen unbezahlte Überstunden, von April bis Juni waren es 205 Millionen.

Ob unbezahlte Überstunden aus Angst vor Jobverlust oder durch hohe Motivation und Arbeitsanforderungen verursacht werden, ist irrelevant. Fakt ist, dass in der Konsequenz allein die Arbeitgeber profitieren. Die Kosten hingegen müssen die Beschäftigten und die Allgemeinheit tragen. Überlange Arbeitszeiten sind nicht nur ein massiver Eingriff in das Familien- und Sozialleben, sondern schädigen auch die physische und psychische Gesundheit der Beschäftigten. Durch unbezahlte Überstunden entgehen den Sozialversicherungen Milliarden an Einnahmen und es werden Arbeitsplätze vernichtet.

Es ist ein Unding, dass die vom Europäischen Gerichtshof geforderte Arbeitszeiterfassung noch immer nicht umgesetzt ist. Besonders die Union verhindert, dass Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet werden, jede geleistet Arbeitsstunde aufzuzeichnen. Es ist aber weder das erste, noch das einzige Beschäftigtenschutzgesetz, dass diese Koalition in der Schublade versenkt hat und damit eine Politik auf dem Rücken der Arbeitnehmer macht. Andere Beispiele sind die im Koalitionsvertrag vereinbarte Einschränkung der sachgrundlosen Befristung und zuletzt das Arbeitsschutzkontrollgesetz für die Fleischindustrie.

Das lassen wir der Bundesregierung nicht durchgehen. Wir werden Druck machen, dass diese Gesetze zum Schutz der Beschäftigten so schnell wie möglich umgesetzt werden.