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Tabubruch

Im Wortlaut von Sevim Dagdelen,

Unterstützung für Faschisten in Kiew

Von Sevim Dagdelen

 

 

 

Die Gewalt in der Ukraine nimmt zu. Bundesregierung und EU-Kommission machen dafür einseitig die ukrainische Regierung verantwortlich. Um den Druck noch zu erhöhen, bestellte Außenminister Frank-Walter Steinmeier am Freitag den ukrainischen Botschafter in Berlin ein, auch um gegen die Verschärfung der Demonstrationsgesetze zu protestieren. Nun ist es selbstverständlich zu begrüßen, wenn sich ein Sozialdemokrat gegen ein Vermummungsverbot auf Demonstrationen stark macht. Allerdings sind solche Initiativen offenbar auf die Ukraine beschränkt und finden keinen Niederschlag in der deutschen Innenpolitik. Noch auffälliger allerdings ist das Schweigen zur immer stärker werdenden Oppositionskraft Swoboda, die man mit Fug und Recht als die faschistische Partnerpartei der NPD bezeichnen darf. Im Mai 2013 traf sich der Swoboda-Abgeordnete Michailo Holowko mit der NPD-Fraktion im sächsischen Landtag.

Swoboda organisiert zusammen mit »autonomen« Neonazigruppen die gewalttätigen Proteste und setzt auf einen Sturz der Regierung in Kiew. Swoboda sieht die Ukraine als Opfer einer jüdisch-russischen Verschwörung. Auch jüngste antisemitische Gewalttaten sollen aus ihrem Umfeld kommen. Historisch bezieht sie sich auf den Nazikollaborateur Stepan Bandera, der für das Massaker am 30. Juni 1941 in Lwiw, dem Tausende Juden und Kommunisten zum Opfer gefallen sind, mit verantwortlich zeichnet. Bemerkenswert ist, daß der einstige ukrainische Präsident der »orangen Revolution«, Wiktor Juschtschenko, Bandera 2010 den Titel »Held der Ukraine« verliehen hatte. Der jetzige – vom Westen gescholtene – Staatschef Wiktor Janukowitsch erkannte Bandera diese Ehre wieder ab.

Im Vorfeld der Unruhen war der Chef von Swoboda, Oleg Tjagnibok, ein gerngesehener Gesprächspartner von EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle, aber auch von Treffen deutscher Beamter mit dem rechten Parteichef wird berichtet. Tjagniboks Aufruf, die ukrainische Regierung gewaltsam zu stürzen, wird denn auch von der Bundesregierung nicht kritisiert. EU-Kommissionspräsident Manuel José Barroso geht weiter und kündigt Sanktionen gegen die Ukraine an. Die USA reagieren mit Einreiseverboten, nicht etwa gegen ukrainische Faschisten, sondern gegen Regierungsvertreter. Kiew soll dem Einflußbereich Washingtons und Berlins angeschlossen werden, koste es, was es wolle.

Mit den ukrainischen Faschisten als treibende Kraft eines gewaltsamen Umsturzes ist man dabei, das nächste Frankensteinmonster zu schaffen. Man beschwört die Geister des Faschismus in Europa wieder herauf, um ein ultranationalistisches Regime in Kiew zu etablieren, das die Ukraine als Frontstaat gegen Rußland etabliert. Das Land selbst wird behandelt als sei es jetzt schon ein Protektorat. Die Frage ist, ob man diese Geister auch wieder los wird.

junge Welt, 25. Januar 2014