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Foto: Rico Prauss

Szenen einer Ehe

Kolumne von Dietmar Bartsch,

Von Dietmar Bartsch, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Die Sommertheater haben Saison und da ist leichte Kost gefragt. Steuersenkungen kommen beim Publikum immer gut an, meint Oberspielleiterin Merkel, und hievt diese ins Programm. Zugleich hofft sie wohl, so auch den zappeligen Ensemblemitgliedern von der FDP auf der Hinterbühne vorgaukeln zu können, sie bestimmten das Repertoire mit. Dem Volk auf den billigen Plätzen werden bis zu zehn Milliarden Euro Entlastungen versprochen. Da soll Lieschen Müller auf dem Stehplatz im vierten Rang vor Staunen der Mund offen stehen. Einer aus den vorderen Reihen im Parkett, Michael Bräuninger vom Hamburger Weltwirtschaftsinstitut, spricht hingegen von einer Summe mit eher symbolischem Charakter. Wie auch immer man den vermeintlichen Betrag beurteilen mag, eigentlich gibt ihn das Budget des Staatstheaters nicht her, denn bis zum Jahr 2015 sind ohnehin 117 Milliarden Euro neue Schulden geplant. Normalsterbliche können mit solchen Beträgen eh nichts anfangen. Für sie sind es Illusionen – wie so manches, was im Theater vorgespielt wird. Deshalb sei der Blick nun von der Bühne ins reale Leben gerichtet:
 
Selbstverständlich ist gegen Steuersenkungen für untere und mittlere Einkommen nichts zu sagen. Die Normalverdiener verzeichnen hierzulande seit über zehn Jahren Reallohnverluste. Auch der Bäckermeister oder kleine und mittlere Unternehmerinnen und Unternehmer zählen mitnichten zu den Absahnern der großen Gewinne. Sie zu entlasten, wäre zweifellos sinnvoll - vorausgesetzt allerdings, Superreiche und das große Wirtschafts- und Finanzkapital werden zugleich wieder stärker zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben herangezogen.

Die Steuerlast, meint DIE LINKE, muss von unten nach oben verschoben werden. Wer weniger als 5.850 Euro pro Monat zu versteuern hat, soll entlastet und der Spitzensteuersatz gleichzeitig deutlich angehoben werden. Letzteres ist kein sonderlich revolutionärer Akt, war dieser einst bei Kanzler Kohl bei 53 Prozent und wurde dann von Rot-Grün geschliffen. Sinnvoll wäre auch, beispielsweise auf Produkte und Dienstleistungen für Kinder, apothekenpflichtige Arzneimittel oder arbeitsintensive Handwerksdienstleistungen eine ermäßigte Mehrwertsteuer zu erheben, bei gleichzeitiger Reformierung dieses Bereiches des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes und bei Rücknahme dieses Vorteils für die Hotellerie. Kempinski, Steigenberger und Mövenpick werden das verkraften. Alleinerziehenden, Rentnerinnen und Rentnern würde es real etwas bringen. Ein gesetzlicher Mindestlohn, tariflich abgesicherte Arbeitsplätze statt prekäre Beschäftigung und eine wirkliche Anhebung des Hartz IV-Regelsatzes – auch das wären Schritte, die Massenkaufkraft zu erhöhen, verbunden mit dem Effekt, dass es von jedem ausgegebenen Euro einen Rückfluss über die Umsatzsteuern gibt. Mehr Steuergerechtigkeit muss nach Auffassung unserer Partei auch mit einer Millionärsteuer verbunden sein. Oberhalb eines Freibetrages von einer Million Euro (!) sollen Privatvermögen mit einem Steuersatz von fünf Prozent belegt werden.

Also: Wenn schon Theater, dann gehören auch Konflikte dazu. Eine sozial verantwortungsvolle Steuer- und Finanzpolitik hat nichts mit der Kostümierung durch Almosen zu tun, sie muss denen den Marsch blasen, die auf dem großen Geld sitzen. Steuersenkungen werden nur dann kein Schmierentheater zulasten unserer Kinder und Enkel sein, wenn parallel zur Entlastung derer, die mit ihrer Hände Arbeit den Reichtum der Gesellschaft schaffen, endlich jene zur Kasse gebeten werden, die die Krise verursacht, letztlich aber von ihr sogar profitiert haben. Geschieht das nicht, sollte die Regierungskoalition ihrem Sommerstück wenigstens einen ehrlichen Namen geben: Szenen einer Ehe. Einer zerrütteten Ehe.