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Spekulanten drücken sich vor Grunderwerbssteuer

Im Wortlaut von Steffen Bockhahn, Halina Wawzyniak,

Von Steffen Bockhahn und Halina Wawzyniak





Spekulanten klingt immer so abstrakt. Einige verdrehen bei dem Wort “Spekulant” schon die Augen. Abstrakt wird aber ganz schnell konkret. Und dann gibt es verwundertes Augenreiben. Schweinereien von Spekulanten nicht nur zu Lasten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, sondern im konkreten Fall auch noch zu Lasten von Mieterinnen und Mietern. Realität in einem reichen Land.

Erinnert sich noch jemand an das letzte Jahr um diese Zeit? Richtig, es gab ein Bieterverfahren für die TLG Immobilien GmbH und die TLG Wohnen GmbH. Bei letzterer GmbH ging es um 11.500 Wohneinheiten ausschließlich in Ostdeutschland, bislang im Eigentum des Bundes stehend. Die TLG Wohnen GmbH sollte privatisiert werden. Das hatte schon die große Koalition aus CDU und SPD beschlossen. Wegen der Finanzkrise waren die Preise im Keller und der damalige Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) hat den Verkauf deswegen 2008 vorerst gestoppt.

Ende letzten Jahres wurde nun bekannt, dass die bislang bundeseigenen Wohnungen in dem Privatisierungsverfahren an die TAG Immobilien AG gingen. Das Wesentlichste über die TAG Immobilien AG steht auf deren eigener Seite. So weit, so schlecht. Wenn in dem schlechten noch etwas Gutes gesehen werden konnte, dann war das der Anfall der Grunderwerbssteuer bei der TAG Immobilien AG. Die Grunderwerbssteuer fällt beim Erwerb eines Grundstücks an (welche die TLG Wohnen GmbH hatte) und kommt den Bundesländern zugute.

Mit Share-Deal Grunderwerbssteuer umgangen

Wenigstens konnte also mit Steuereinnahmen bei den ostdeutschen Bundesländern gerechnet werden, die Verlautbarungen waren schließlich, dass die TAG Immobilien AG die TLG Wohnen GmbH zu 100 Prozent erworben hatte. Doch Spekulanten wären nicht Spekulanten, wenn sie sich nicht auch trickreich vor Steuern drücken würden. Also Pustekuchen mit der Grunderwerbssteuer.

Wie nunmehr bekannt wurde, hat nicht die TAG Immobilien AG die TLG Wohnen GmbH erworben, sondern zwei andere Gesellschaften. Und jetzt wird es richtig spannend. Mit einem sogenannten Share-Deal wird mal ganz legal die Grunderwerbssteuer umgangen, den Ländern entgehen die Einnahmen. Die Bundesregierung, die sich heute auch gern über ungehemmten Kapitalismus aufregt, hat selbst die gesetzlichen Grundlagen geschaffen.

Wie das geht? Das Grunderwerbssteuergesetz (GrEStG) hat in § 1 Abs. 3 Nr. 1 eine Regelung, nach der die Grunderwerbssteuer nur anfällt, wenn 95 Prozent der Anteile eines Unternehmens an ein anderes Unternehmen übertragen werden. Da Spekulanten natürlich clever sind, werden halt die Anteile zu 94,9 Prozent an das eine Unternehmen verkauft und zu 5,1 Prozent an das andere Unternehmen. Und schwups, die Grunderwerbssteuer fällt nicht an. Jaja, richtig gehört: Wohnungen im Eigentum des Bundes stehend (als TLG Wohnen GmbH) werden verscheuert an eine Aktiengesellschaft und die muss nicht mal Grunderwerbssteuer zahlen.

Tochtergesellschaften für Deal genutzt

Doch im Fall der TAG Immobilien AG wird es noch verrückter. Die TLG Wohnen GmbH wurde zu – welche Überraschung – 94,9 Prozent an die TAG Administrationen GmbH verkauft und zu 5,1 Prozent an die TAG Beteiligungs GmbH & Co.KG.  Die TAG Administrationen GmbH steht zu 100 Prozent im Eigentum der TAG Immobilien AG und die TAG Beteiligungs GmbH & Co.KG zu 99,5 Prozent im Eigentum der TAG Immobilien AG. Ja, richtig. Die TAG Immobilien AG hat durch ihre Eigentümerschaft an der GmbH und der GmbH & Ko.KG de facto 100 Prozent erworben und muss trotzdem nicht Grunderwerbssteuer zahlen.

Cool aus der Sicht von Spekulanten, dreist aus der Sicht von Steuerzahlerinnen und Mieterinnen. Ob das auch noch legal ist, muss geklärt werden.

Aber legal oder nicht legal, es ist und bleibt eine Sauerei, und dem muss dringend ein Ende bereitet werden. Wer auch immer uns jetzt große Vorträge halten will, warum und weshalb das alles angeblich notwendig sei: Lasst es. Ihr überzeugt uns nicht. Ihr würdet uns nur noch wütender machen. Da werden Wohnungen an Finanzinvestoren, denen die Mieterinnen und Mieter gleich sind, privatisiert, was schon ein Problem an sich ist. Dass dann die den Ländern zustehenden Einnahmen aus der Grunderwerbssteuer umgangen werden, ist ein weiteres Problem. Wer solche Subventionierung von Spekulanten ermöglicht, der sollte beschämt schweigen. Angeblich ist für dieses und jenes kein Geld (kostenloses Schulessen, Jugendclubs, Sportförderung) da, aber diese Steuergeschenke gibt es. Bei jedem kleinen Verstoß gegen irgendwelche meist sinnlosen Auflagen nach dem SGB II wird den Leistungsbeziehenden das Geld gekürzt und denen die das Geld haben wird Geld geschenkt. Merke: Bekommst Du Hartz IV, schauen sie auf jeden Cent. Bekommst Du Wohnungen, bekommst Du noch Geschenke zu Lasten aller.

Es läuft was falsch in diesem Land. Aber richtig.

linksfraktion.de, 4. April 2013