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SPD war und bleibt der Großen Koalition verhaftet

Interview der Woche von Dagmar Enkelmann,

Die Mitglieder des Bundestages werden sich in den kommenden zwei Monaten auf die Arbeit in ihren Wahlkreisen konzentrieren. Vor der Sommerpause, die also gar keine ist, zieht Dagmar Enkelmann, 1. Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion DIE LINKE, Bilanz der bisherigen Arbeit und wirft einen Blick voraus auf Vorhaben in der zweiten Jahreshälfte.

Erst drei Jahre arbeitet DIE LINKE Opposition im Bundestag, und mittlerweile reden selbst Union und FDP über soziale Fragen. Was ist das Geheimrezept der LINKEN?

So geheim ist das gar nicht: DIE LINKE greift nur reale, die Bürger bewegende Probleme auf. Wir sagen nicht nur Nein, sondern legen konkrete Vorschläge vor, die die anderen Parteien nicht so einfach beiseite schieben können. DIE LINKE setzt auch Schwerpunkte in ihrer politischen Arbeit - für Mindestlohn, gegen Hartz IV, Armut und eine Zwei-Klassen-Medizin, für eine weltweite Friedenspolitik und für den Erhalt öffentlichen Eigentums, wie z.B. der Bahn. DIE LINKE bleibt an Missständen dran, legt den Finger nicht nur einmal in die Wunde. Dazu kommt eine gute Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion. Nicht zuletzt ist wichtig, dass unsere Abgeordneten regelmäßig vor Ort sind.

Nun sind Reden und Handeln zwei unterschiedliche Dinge. Gerade die SPD stimmt im Bundestag regelmäßig gegen ihre eigenen Forderungen.

Das zeigt nur, wie ernst es der SPD tatsächlich mit ihren Forderungen ist. Sie war und bleibt der Großen Koalition verhaftet. Ein gesetzlich garantierter Mindestlohn geht mit der Union nicht, aber eine massive Mehrwertsteuererhöhung, die Kürzung der Pendlerpauschale und die Rente ab 67. Die Talfahrt, die die SPD in den Umfragen erlebt, spiegelt ihre Verluste an Wählervertrauen und Glaubwürdigkeit wider.

Angela Merkel trat 2005 als Kanzlerin mit dem Ziel an, mit ihrer Großen Koalition Politik aus einem Guss machen zu wollen. In der Tat haben Union und SPD im Bundestag eine so erdrückende Mehrheit, dass man meinen möchte: Die können alles machen. Wieso passiert so wenig?

Es passiert wenig? Wenn es um Einschränkungen und Kürzungen zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger geht, war und ist sich diese Koalition schnell einig - wie die am Ende im Eilzugtempo durchgezogene Gesundheitsreform oder die Bahnprivatisierung zeigen. Auch in eigener Sache - Diätenerhöhung - konnte es Union und SPD nicht schnell genug gehen. Die wirklichen Probleme des Landes aber packt die Große Koalition nicht an. Das bewies jüngst die Debatte um die hohen Energiepreise. Über teures Öl und unbezahlbaren Strom lamentiert man gern, zu der von der LINKEN verlangten raschen Entlastung privater Haushalte mit geringem Einkommen aber waren die beiden Regierungsfraktionen nicht bereit - wie auch FDP und Bündnisgrüne.

Deutschland spricht jetzt zwar wieder über die Nöte der Menschen. In deren Portemonnaies bleibt am Ende des Monats aber immer weniger übrig. Läuft DIE LINKE nicht Gefahr, dass sie selbst mit in den Strudel der Verdrossenheit der Bürgerinnen und Bürger über die Politik gerät?

Die Gefahr, dass wir für die unsoziale und bürgerferne Politik von Union und SPD mit in Haftung genommen werde, besteht durchaus. Dagegen hilft zum einen, vor Ort präsent zu sein, mit den Bürgerinnen und Bürgern zu sprechen und ihnen die Positionen der LINKEN immer wieder nahe zu bringen. Zum anderen brauchen wir auch im Parlament konsequente Haltungen, mit denen wir im Interesse der Wählerinnen und Wähler deutlich Profil zeigen und uns von der Großen Koalition absetzen. Das gelang beispielsweise bei der erneuten Diätenerhöhung, die Union und SPD vor wenigen Wochen ungeniert durchziehen wollten. Viele Menschen unterschieden da schon zwischen der Selbstbedienungsmentalität der Großen Koalition und dem unverrückbaren Nein zu dieser Art Politik von der LINKEN. Als Maßnahme gegen die verbreitete Politikverdrossenheit schlägt DIE LINKE seit längerem mehr direkte Bürgerbeteiligung auch auf Bundesebene vor - durch Volksbegehren und Volksentscheide. Aber auch hier bewegen sich Union und SPD keinen Millimeter.

Von der Zusammenarbeit der unterschiedlichen Fraktionen im Bundestag sieht die Mehrzahl der Menschen - wenn überhaupt - allenfalls mehr oder weniger scharfe Wortgefechte in Plenardebatten. Wie erleben Sie als Parlamentarische Geschäftsführerin Zusammentreffen mit Ihren Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen?

Das ist sehr differenziert. Eine ganze Reihe von Entscheidungen im Bundestag erfolgt einvernehmlich. Andererseits gibt es Unvereinbarkeitsbeschlüsse bei CDU/CSU und SPD, mit der LINKEN keine gemeinsamen Anträge vorzulegen oder gar einem Anliegen unserer Fraktion öffentlich zuzustimmen.
Außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung kann man mit dem einen oder dem anderen Abgeordneten der Koalition schon ganz gut auskommen - aber eben nicht mit jedem.

Die Mitglieder des Bundestages werden sich jetzt für zwei Monate auf die Arbeit in ihren Wahlkreisen konzentrieren. Wie geht es für DIE LINKE im September weiter?

Traditionell werden wir mit einer Klausur zunächst des Fraktionsvorstandes, dann der Fraktion starten. Nicht ganz zufällig tagen wir in München, um am Abend zu Veranstaltungen ausschwärmen zu können. Aber auch im letzten Jahr dieser Wahlperiode werden wir uns auf Themen konzentrieren, wie soziale Gerechtigkeit - existenzsichernde Einkommen und Renten, Mindestlohn, Bekämpfung von Kinderarmut, aber auch auf das Streben nach friedlichen Konfliktlösungen vor allem in Afghanistan.

linksfraktion.de, 24. Juni 2008