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„SPD hat sich selbst in Krise manövriert“

Im Wortlaut von Petra Pau,

Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, würde die Linke laut Umfragen bis zu 13 Prozent bekommen. Petra Pau, Vizevorsitzende der Bundestagsfraktion, sieht dies als ein Zeichen westeuropäischer Normalität.

Frau Pau, wie lange wird es dauern bis Die Linke in den Landtag in Stuttgart einzieht?

Ich kann mir vorstellen, dass man hier zur nächsten Landtagswahl einen ernsthaften Anspruch stellt. Wir haben in vielen westdeutschen Bundesländern zahlreiche kommunale Abgeordnete. Wenn es gelingt, diese zu vernetzten und Parteistrukturen aufzubauen, ist Die Linke auch für Baden-Württemberg eine Option.

Hier zweifelt noch so mancher an der demokratischen Ausrichtung ihrer Partei.

Wir haben mit dem Stalinismus gebrochen und uns bei den Opfern entschuldigt, das wird oft vergessen. Ich selbst bin in der DDR aufgewachsen und habe mich für diese Gesellschaft engagiert. Ihr Untergang war für mich auch ein persönliches Scheitern. Dadurch bin ich zur Demokratin geworden - und Sozialistin geblieben. Denn die Erfahrung von 17 Jahren Bundesrepublik zeigen mir: Das kann noch nicht das Ende der Geschichte sein.

Wenn Sie mit der Wende zur Demokratin wurden, warum dann der Eintritt in die PDS, der damals noch sehr der Geruch einer Nachfolgepartei der SED anhing?

Diesen Geruch lege ich ja nicht ab. Den hätten wir auch nicht abgelegt, wenn wir uns neugegründet hätten. Man hätte uns Etikettenschwindel vorgeworfen. Dann lieber das Bekenntnis zur Schuld. Das Motiv war, sich zu engagieren, bei der absehbaren Wiedervereinigung nicht bloß verwaltet zu werden und natürlich auch im gewissen Sinne Schuld abzutragen.

Sie haben an der Parteihochschule studiert. Sie sind 1983 in die SED eingetreten, waren in der DDR als Lehrerin tätig. Haben auch Sie Schuld auf sich geladen?

Ich weiß es nicht. 1990 hätte ich niemals gesagt, dass ich keinem geschadet habe. Vor kurzem haben mir auf einer Podiumsdiskussion in Berlin oppositionelle Eltern meiner ehemaligen Schüler gesagt, sie hätten mir nichts vorzuwerfen. Das war eine wichtige Erfahrung für mich. Sehen Sie, ich habe in der DDR manches nicht realisiert. Ich ärgere mich bis heute darüber, dass ich oft nicht näher nachgefragt und mich zufrieden gegeben habe.

Das gilt für Sie als Person. Ist Die Linke als Partei im Westen salonfähig?

In diesem Punkt zieht nun endlich so etwas wie westeuropäische Normalität ein. Schauen Sie in die Nachbarländer: Es hat noch niemandem geschadet, wenn es neben der Sozialdemokratie weitere Linke gibt, die natürlich Wählerpotentiale binden, aber auch ein Korrektiv sind und andere Themen auf die Tagesordnung setzen.

Die SPD ist über den Erfolg der Linken nicht erfreut. Bei der letzten Sonntagsfrage erreichte sie 24 Prozent, ihre Partei konnte 13 Prozent verbuchen. Nehmen sie der SPD die Wähler weg?

In diese Krise hat sich die SPD selbst manövriert. Sie muss sich wieder auf Themen wie soziale Gerechtigkeit und den Schutz von Bürgerrechten besinnen, sie muss wegkommen von kriegerischen Lösungen in der Außenpolitik. Aber es kann einen natürlich nicht freuen, wenn immer weniger Wähler in der SPD eine politische Heimat sehen. Ich habe beim Gründungsparteitag der Linken festgestellt, dass viele Menschen, die sich enttäuscht von der Politik abwenden, nochmal neuen Mut finden. Ich empfinde das auch als Bürde. Wenn die Linke nicht erfolgreich ist, werden sich diese Personen gar nicht mehr einmischen. Unsere Aufgabe liegt darin, die Achse der Politik ein Stückchen nach links zu verschieben. Das erklärt auch die derzeitige Aufregung sowohl in der SPD als auch in der CDU.

Fragen von Jan Peter

Stuttgarter Nachrichten, 13. Juli 2007