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SPD bleibt konsequent - im Krieg

Im Wortlaut,

Heute beschließen Union, SPD und FDP im Bundestag die Verlängerung des Afghanistan-Mandats und die Aufstockung des Bundeswehr-Kontingents

Von Wolfgang Hübner

Fast 350 afghanische Kinder wurden laut UNO-Statistik 2009 bei kriegerischen Gewalttaten getötet. 153 von ihnen wurden Opfer von Luftangriffen und Aktionen von Sondereinsatzkräften. Das Leben von mindestens 128 Kindern haben Aufständische und Selbstmordattentäter auf dem Gewissen.

Es sind vor allem solche Nachrichten, die viele Menschen die Frage nach dem Sinn dieses Krieges stellen lassen. Ob es ein Krieg ist, fragen sich normal Denkende sowieso nicht; das ist ein semantischer Taschenspielertrick von Politikern, die trotz Krieges eine weiße Weste behalten möchten.

»Wir wollten«, sagte der ehemalige Kanzleramts- und Außenminister Frank-Walter Steinmeier jetzt mit Bezug auf Afghanistan, »dem Land und dem Volk nach 30 Jahren Krieg und Bürgerkrieg wieder auf die Beine helfen.« Wenn er ehrlich wäre, müsste sich der Sozialdemokrat eingestehen: Krieg und Bürgerkrieg gehen unvermindert weiter, seit 2001 mit einer weiteren Kriegspartei - der NATO und mit ihr der Bundeswehr.

Diese Politik wird der Bundestag heute mit dem Bundeswehrmandat um ein weiteres Jahr verlängern. Das Kontingent wächst sogar von 4500 auf 5350 Soldaten; der Regierungsantrag spricht von eventuellen »Spielräumen für eine schrittweise Reduzierung des deutschen ISAF-Kontingents« ab 2011. Aufrüsten, um abzuziehen - als würde ein Übergewichtiger sich schnell noch ein paar zusätzliche Kilo anfressen, um dann aber wirklich abzunehmen.

Zur Verlängerung und Erweiterung des Mandats genügen die Stimmen von Union und FDP. Dennoch ist die SPD mit im Boot, bis auf wenige Abweichler. Zwar spricht Fraktionschef Steinmeier seit etwa einem Jahr vorsichtig von Abzugsperspektiven bis 2015. Die SPD will sich aber nicht dem probeweise bereits erhobenen Vorwurf der Konservativen aussetzen, sich aus dem von Rot-Grün begonnenen Krieg davonzustehlen. An vaterländische Pflichten lassen sich die Sozialdemokraten nur ungern erinnern. Die Grünen wollen sich heute im Bundestag immerhin enthalten; nur die LINKE lehnt die Kriegsverlängerung ab.

Es gibt übrigens auch Beispiele sozialdemokratischer Konsequenz. Eine Regierung ist gerade gestürzt, weil Sozialdemokraten sich einem längeren Afghanistan-Einsatz verweigerten. Aber das war weit weg - in den Niederlanden.

»Wenn Fehler gemacht werden, ist es wichtig, sie einzugestehen«, schrieb die Londoner »Times« nach dem kürzlichen NATO-Luftangriff, der 27 Zivilisten das Leben kostete. Dass der ganze Afghanistan-Krieg ein Fehler ist - darüber wird noch immer kaum geredet.

Neues Deutschland, 26. Februar 2010