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Spaltung der Gesellschaft überwinden

Im Wortlaut von Jan van Aken,

 

Jan van Aken, außenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, über den Machtwechsel in Ägypten, Perspektiven für die Länder des so genannten Arabischen Frühlings und Optionen für einen grundlegenden außenpolitischen Kurswechsel Deutschlands

 

Hätten Sie sich vorstellen können, dass die erste demokratisch gewählte ägyptische Regierung nach gerade mal einem Jahr scheitert?

Jan van Aken: Nein, eigentlich nicht. Anderseits: Nach Jahrzehnten der Diktatur in Ägypten und in den anderen Ländern des Arabischen Frühlings war zu befürchten, dass der Übergang in demokratische und pluralistische Strukturen nicht so einfach geht. Es ist toll, dass sich die Zivilgesellschaft auch unter Mursi gegen die erneuten Einschränkungen ihrer Freiheitsrechte gewehrt und sich die Revolution nicht hat stehlen lassen. Problematisch ist aber die Rolle des Militärs: Hoffentlich wird es im zukünftigen Ägypten nie wieder in der Lage sein, gewählte Präsidenten abzusägen.

Ist die aktuelle Krise in Ägypten hausgemacht oder wurde sie auch durch Einflüsse von außen beeinflusst?

Die Ägypterinnen und Ägypter haben mit Mubarak einen Diktator verjagt, der sie jahrzehntelang unterdrückt hat. Aber Armut und soziale Ungerechtigkeit sind mit dem neuen Präsidenten nicht verschwunden. Mursi hat seine Wahlversprechen gebrochen und es nicht geschafft, die Spaltung der ägyptischen Gesellschaft zu überwinden. Im Gegenteil: Mit der stark islamisch geprägten Verfassung hat er die Spaltung noch forciert. Hierfür hat er nun die Quittung erhalten. Natürlich spielen die USA und andere Kräfte von außen in Ägypten immer eine Rolle. Aber ich denke, die aktuelle Krise kam tatsächlich mehr von innen.

Jahrzehntelang spielte Kairo eine Vermittlerrolle in regionalen und internationalen Konflikten. Eine Zeit lang sah es so aus, als wolle Ankara diese Rolle übernehmen, das jetzt aber Selbst mitten in einer innenpolitischen Krise steckt. Läuft es wieder einmal darauf hinaus, dass die USA und ihre Verbündeten nach ihren Maßstäben für Ordnung in der Region sorgen?

In der ganzen Region findet im Augenblick eine massive Veränderung statt - mit ungewissem Ausgang. Das geht wie im furchtbaren Bürgerkrieg in Syrien bis zur ganz offenen Unterstützung von Kriegsparteien mit Waffen und Ausbildung. Natürlich sind EU, Russland, USA und die Türkei hier dabei und versuchen brutal, auch ihre eigenen Interessen durchzusetzen. Auch Qatar spielt eine ganz offensive Rolle, sowohl als Unterstützer syrischer Rebellengruppen wie auch als Unterstützer der Muslimbrüder in Ägypten. Wer am Ende in welchem Land Oberwasser bekommen wird, ist schwer zu sagen. Aber es könnten sich tatsächlich ganz neue Konstellationen ergeben, sich ganz neue Ordnungsmächte und Statthalter der USA und ihrer Verbündeten entwickeln.

Aus Berlin ist bis zur Bundestagswahl kaum ein grundlegender außenpolitischen Kurswechsel zu erwarten. Was erwarten Sie von Kanzlerin Merkel und ihrem wahrscheinlich nächsten Juniorpartner SPD auf diesem Gebiet?

Ob die SPD wirklich Juniorpartner wird, bleibt abzuwarten. Ich traue denen sogar eine Koalition mit FDP und Grünen zu. Und sie alle sind außenpolitisch gleichermaßen auf Macht und Militär gepolt. Ohne DIE LINKE wird es auch nach der Wahl keine friedlichere, keine gerechtere Außenpolitik geben, so traurig das ist. Nur wenn es weltweit gerechter zugeht, werden wir perspektivisch in Frieden leben können. Dieser Einsicht verschließen sich Schwarz und Gelb, Rot und Grün gleichermaßen. Sie alle werden die Welt auch nach der Wahl unfriedlicher machen, mit Waffenexporten und Auslandseinsätzen – wenn wir ihnen nicht als starke linke Opposition im Bundestag in den Arm fallen.

Welche Alternative gäbe es hierzu rein hypothetisch mit einer Regierungskoalition, an der DIE LINKE beteiligt wäre?

Es ist nicht kompliziert: Deutschland hört auf, Krieg zu führen und Waffen zu exportieren. Wir werden Methoden und Expertinnen und Experten der zivilen Krisenprävention exportieren und dazu beitragen, dass der gesellschaftliche Reichtum gerechter verteilt wird – in Deutschland und weltweit. Das Problem ist allerdings, dass diese einfachen Schritte mit den anderen Parteien im Bundestag nicht zu gehen sind. Denn auch SPD und Grüne wollen auf Krieg als letztes Mittel ihrer Politik nicht verzichten. Sie selbst haben die deutschen Rüstungsexporte immer weiter voran getrieben. Das ist also wirklich extrem hypothetisch…

Gibt es ein aktuelles Beispiel, dass die Unterschiede zwischen der Außenpolitik der LINKEN und der der anderen Fraktionen im Bundestag illustriert?

Wenn ich mir etwa den Fall Snowden anschaue, habe ich schon ärgste Probleme, mir vorzustellen, mit dieser jämmerlichen SPD zusammen Politik zu machen. Die Spezialdemokraten sind sich nicht zu schade, jetzt sogar gegen eine Aufnahme von Snowden in Deutschland Stellung zu beziehen. Der Mann ist ein Held, er wird massiv von den USA verfolgt, ihm haben wir es zu verdanken, dass wir noch konkreter von dem massiven Eingriff der USA in unsere Privatsphäre erfahren haben. Und die Sozen wollen ihn den Amerikanern ans Messer liefern. Da geht wenig zusammen. Und wer jetzt argumentiert, wir könnten unseren Verbündeten USA doch nicht so düpieren: Hallo? Wer hat denn hier wen ausspioniert? Wenn hier jemand das transatlantische Verhältnis belastet, ist es doch wohl Washington, oder? Aber das scheinen Steinbrück und Konsorten schon wieder vergessen zu haben.

linksfraktion.de, 5. Juli 2013