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»Sozialkürzungen zeigen ihre Schleifspuren«

Im Wortlaut von Michael Schlecht,

Von Michael Schlecht, Chefsvolkswirt der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Es ist kalt in Athen. Die Griechen haben ihre Winterjacken herausgeholt. Am schlimmsten ist das für die Obdachlosen und Bettler in den Straßen. Die massiven Lohn-, Renten- und Sozialkürzungen zeigen ihre Schleifspuren im Alltagsleben. Wenn man durch die Straßen geht scheint jedes dritte Geschäft in der Athener Innenstadt geschlossen zu sein. Dauerhaft. Und diejenigen, die noch geöffnet sind, versuchen den Passanten zu animieren, herein zu kommen.

Vom 11. bis 13. November war ich auf Einladung der Koalition der radikalen Linken SYRIZA in Athen. Die Krise in Griechenland und in Europa war das Thema einer Veranstaltung, auf der ich die Analyse und die Alternativen der Fraktion DIE LINKE im Bundestag vortrug.

Ich hatte ausgiebig Gelegenheit, mich im persönlichen Gespräch mit verschiedenen Genossinnen und Genossen auszutauschen. Hierzu gehören vor allem Alexis Tzipras, Vorsitzender der Fraktion SYRIZA, und Panagiotis Lafazanis, Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion.

In Griechenland kommt es zu einer Großen Koalition unter Führung des Parteilosen Papademos. Der frühere Chef der Nationalbank und Mitglied der EZB soll Griechenland nach vorne bringen. Jedoch wird er den von der EU geforderten Kurz der Kürzungen bei Löhnen, Sozialem und Renten sowie der Schwächung der Gewerkschaften nur fortsetzen. Verschärft! Papademos erklärt dies auch ganz offen. Damit wird die griechische Ökonomie weiter in den Abgrund fahren. Nach einem Einbruch der wirtschaftlichen Entwicklung 2010 und 2011 von rund zehn Prozent droht auch für 2012 ein weiterer Rückgang der wirtschaftlichen Entwicklung von drei bis vier Prozent. Mit der Fortsetzung des Austeritätskurs wird Griechenland nicht wieder auf die Beine kommen.

Der Widerstand gegen die Austeritätspolitik ist von entscheidender Bedeutung. Insbesondere muss die intensivere europäische Zusammenarbeit vorangetrieben werden. Der deutschen Linken wird dabei eine besondere Rolle zugewiesen. Wichtig ist aber auch die Zusammenarbeit mit den Widerstandskräften in den anderen südeuropäischen Ländern zu stärken.

In den Reihen von Synaspismus wird der Austritt aus der Eurozone und die Wiedereinführung der Drachme diskutiert. Es gibt Zweifel, ob es sinnvoll ist in einem gemeinsamen Währungsraum mit solch wirtschaftlich starken und hochproduktiven Ländern wie Deutschland zu sein.

Ich halte einen Austritt Griechenlands für verhängnisvoll. Die Drachme würde massiv abwerten, dies könnte hilfreich sein. Die Euro-Auslandschuld könnte mit einem haircut verkleinert werden, aber da sie mit einer abgewerteten Drachme bedient werden müsste, wäre wenig geholfen. Dramatisch ist, dass Griechenland von den internationalen Kapitalmärkten abschnitten wäre und auch von lebenswichtigen Importen. Lebenswichtig nicht nur für die Industrie, sondern auch für die Ernährung der Bevölkerung. Denn Griechenland ist auf Lebensmittelimporte angewiesen.

Deutschland ist für Griechenland vor allem nicht deshalb so übermächtig, weil es so hochproduktiv ist. Es ist übermächtig, da seit zehn Jahren ein massives Lohndumping betrieben wird. In keinem Land in Europa sind die Löhne seit 2000 preisbereinigt um fünf Prozent gesunken. So werden Importe nach Deutschland erschwert und die Exportfähigkeit übermächtig.

linksfraktion.de, 14. November 2011