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Sozial-ökologische Transformation braucht aktive Industriepolitik

Im Wortlaut von Klaus Ernst,

Digitalisierung und Automatisierung, aber auch die notwendige Umstellung auf Klimaneutralität können ein Erfolg werden. Gerade bei Umweltschutztechnologien könnten Deutschland und Europa ganz vorne mitspielen, wenn sie sich jetzt beherzt dazu entschließen, die Industrie auf klimaschonende Produktionsweisen umzustellen und auf erneuerbare Energien und Energieeffizienz zu setzen. Das könnte der Exportschlager von morgen sein. Denn nur mit moderner Technologie werden auch andere Länder die Energiewende schaffen.

Damit diese Transformation gelingt, braucht es einerseits den Erhalt und Ausbau der Schutzvorschriften, die sich abhängig Beschäftigte erkämpft haben. Dazu gehört etwa die Geltung von Tarifverträgen, Arbeitsschutz, Regelungen zur Arbeitszeit, Mitbestimmung. Abhängig Beschäftigte und ihre Familien, Rentnerinnen und Rentner, Geringverdienende und die Bezieher von Transferleistungen dürfen nicht die Verlierer sein!

Andererseits muss auch der wirtschaftspolitische Rahmen stimmen. Wir brauchen viele neue Arbeitsplätze in den Branchen, die auch in Zukunft vernünftige Löhne sichern. Deshalb fordert DIE LINKE ein Investitionsprogramm, das die technologische Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft und die Teilhabe aller an der Wertschöpfung garantiert. Der BDI und der Deutsche Gewerkschaftsbund erklärten kürzlich gemeinsam, sie hielten Investitionen von mindestens 450 Milliarden Euro zusätzlich in den nächsten 14 Jahren für notwendig. Eine Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung hat diese Summe aus den Bedarfen in den Bereichen Bildung, Verkehr, Kommunikationsnetze und Klimaschutz errechnet, dazu zählt auch deutlich mehr Personal in Kitas, Schulen und Behörden.

Damit diese Jahrhundertaufgabe gelingt, sind eine Reihe von Maßnahmen erforderlich:

1. Viele der notwendigen öffentlichen Investitionen, insbesondere bei der Verkehrsinfrastruktur, liegen in der Verantwortung der Kommunen. Deshalb müssen diese nachhaltig entschuldet werden.

2. Um das erforderliche Kapital zur Verfügung stellen zu können, muss die schwarze Null endlich aufgegeben und die Schuldenbremse gelockert werden: Eine Kreditaufnahme im Umfang der Nettoinvestitionen ist sinnvoll, denn auch zukünftige Generationen werden davon profitieren. Was nutzen den künftigen Generationen weniger Staatsschulden, wenn sie deshalb keine vernünftige Ausbildung, eine veraltete Wirtschaft und eine heruntergekommene Infrastruktur haben?

3. Gleichzeitig müssen Reiche und Vermögende wieder mehr zum Gemeinwesen beitragen. Studien des Internationalen Währungsfonds (IWF) oder der OECD bemängeln das ungerechte deutsche Steuersystem. Sie empfehlen, Arbeitseinkommen weniger und Einkünfte aus Kapital, Eigentum und Erbschaften stärker zu besteuern. Zu Recht: Eine aktuelle Abfrage nach der Höhe der Erbschaftssteuer für Millionen-Erben hat ergeben, dass 2018 gut 600 Deutsche zusammen 31 Milliarden Euro erbten und darauf im Schnitt gerade mal fünf Prozent Steuern zahlten. Von den knapp 40 Personen, die 100 Millionen Euro und mehr erhielten, mussten zwei Drittel gar keine Steuern zahlen. Im Schnitt lag ihre Steuerbelastung bei 0,2 Prozent.

4. Der Staat ist aufgerufen, aktiv Industriepolitik zu betreiben. Anders als es Wirtschaftsliberale predigen, kommen die gesamtwirtschaftlich notwendigen Investitionsentscheidungen nicht automatisch über den freien Markt zustande. Der relativ kurze Zeithorizont privater Investoren verhindert langfristige Forschungsaktivitäten und Investitionen in Zukunftstechnologien. Aus betriebswirtschaftlichem Kalkül halten Unternehmen zu lange an veralteten Technologien fest. Obwohl es volkswirtschaftlich sinnvoll wäre, werden Wertschöpfungsketten nicht geschlossen, sondern für den eigenen Betrieb die kurzfristig günstigsten Lösungen gewählt. Beispielhaft ist hier der Umgang der deutschen Automobilindustrie mit der E-Mobilität zu nennen.

Kleine und mittlere Unternehmen sollen, wo notwendig, öffentliche Kredite erhalten, damit sie auf nachhaltige Produktionsverfahren und neue Produkte umstellen können. Zugleich sind Mitnahmeeffekte zu vermeiden. Wenn etwa der Verband der Automobilindustrie 10 bis 20 Milliarden Euro staatliche Unterstützung für den Strukturwandel fordert, ist Vorsicht geboten. Es geht nicht darum, den Konzernen ihre Gewinnmargen abzusichern. Es geht darum, Arbeitsplätze zu schützen und zukunftsfähige Industriezweige in Deutschland und Europa zu halten und aufzubauen.

Außerdem muss gelten: Keine Leistung ohne Gegenleistung. Bekommt ein Unternehmen öffentliche Unterstützung, müssen im Gegenzug der Fortbestand der Arbeitsplätze, Tariftreue und umfangreiche Mitspracherechte für die Beschäftigten gewährleistet sein. Wer gegen solche Auflagen verstößt, muss Fördergelder zurückzahlen. Das gilt in besonderem Maße, wenn der Staat sich am Unternehmen beteiligt, um eine Schließung, Abwanderung oder Übernahme durch ausländische Konzerne zu verhindern. Mitbestimmungsrechte, Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen müssen auch dann gewahrt bleiben, wenn die Anteile am Ende wieder in private Hände gehen.

Wenn die Vermögen fairer verteilt sind und die Löhne sich entsprechend der Steigerung der Arbeitsproduktivität entwickeln, stärkt das die Binnennachfrage und befördert private Investitionen. Nicht zuletzt dient eine solche Entwicklung dem gesellschaftlichen Zusammenhalt insgesamt.

So kann die Transformation sowohl sozial, ökologisch und wirtschaftlich eine große Chance werden. Nutzen wir sie!


Antrag der Fraktion: Arbeit in der Transformation zukunftsfest machen