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Solidarität darf nicht zum Fremdwort werden

Im Wortlaut von Martina Bunge,

Wenn Kranke, Alte und Arme zum Kostenrisiko werden. Ist die KKH Allianz ein Einzelfall?

Von Martina Bunge, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 

 

 

Private Versicherungsunternehmen und Banken haben in Deutschland keinen guten Ruf. Dies liegt zum einen daran, das hier Menschen vollkommen entkleidet und zu reinen mathematischen Größen, vor allem zu Risiken, degradiert werden: Schadenseintrittsrisiko, Kreditausfallrisiko.. Zum anderen haben diese Unternehmen Gewinninteressen und nutzen dafür gerne ihren Wissensvorsprung und verpacken unliebsame Vertragsbedingungen mal lieber ins Kleingedruckte. Niemand wäre groß verwundert, wenn eine Autoversicherung bei einem Fahrer anrufen würde, nachdem dieser seinen zehnten Autounfall hinter sich hat und anfragen würde, ob dieser nicht mal lieber seine Versicherung wechseln wolle. Ebenso wäre niemand verwundert über eine Bank, die Kunden loswerden möchte, die ihre Schulden nur unzureichend tilgen.

Nun ist also über die KKH Allianz in der Fernsehsendung Frontal am 31.10.2012 bekannt geworden, dass diese langzeitig schwer kranke Versicherte bedrängt habe, ihre Krankenversicherung zu wechseln. Frontal und andere Medien empfanden das als skandalös, was es auch ist. Aber hochwahrscheinlich hätte das gleiche Vorgehen einer privaten Krankenversicherung kaum Schlagzeilen gemacht.

Die gesetzlichen Krankenkassen umweht noch der Nimbus einer öffentlichen Behörde, die dem Allgemeinwohl verpflichtet ist. Und eine Krankenversicherung ist schließlich für die Versorgung Kranker da, also besonders für diejenigen, die schwer krank sind. Aber hinter der Fassade der öffentlichen Behörde, haben die letzten Bundesregierungen und besonders die jetzige, Umbaumaßnahmen vorgenommen und immer mehr solidarische und gemeinwohlorientierte Bauteile durch gewinnorientierte und private Bauteile ersetzen. Die gesetzliche Krankenversicherung als öffentliche Institution der Daseinsvorsorge wurde zunehmend entkernt. Und nun bekommen wir ab und an erschreckende Einblicke hinter die Fassaden und wundern und empören uns. Dabei handelt die KKH Allianz letztlich wie jedes andere Privatunternehmen auch, selbst Ärzte verweisen Kranke auf das nächste Quartal. Und sie ist sicher kein Einzelfall, wenn auch die Methoden unterschiedlich sein mögen.

Die KKH verhält sich so, um unter den Wettbewerbsbedingungen, die Schwarz-Gelb festgeschrieben hat, zu überleben. Dazu gehört als wichtigste Strategie, keine Zusatzbeiträge zu erheben. Erhebt eine Krankenkasse Zusatzbeiträge, ist ihr Überleben massiv gefährdet. Um Zusatzbeiträge zu vermeiden gibt es zwei wichtige Strategien: Erstens - vermindere die Anzahl der älteren, kranken und geringverdienenden Versicherten. Zwar soll ein Risikoausgleich dafür sorgen, dass Krankenkassen mit vielen älteren, kranken Versicherten nicht schlechter gestellt sind, als solche mit mehr gesunden und jungen Versicherten. Die Realität sieht anders aus. Der Risikoausgleich ist schlecht und benachteiligt nach wie vor Versicherungen mit älteren und kranken Versicherten. Die Bundesregierung weigert sich allerdings, trotz geeigneter Vorschläge, das zu ändern. Hinzu kommt, dass Versicherte mit geringen Einkommen ein höheres Risiko für Beitragsausfälle darstellen, die besonders Zusatzbeiträge betreffen. Zweitens - versuche möglichst wenig Leistungen zu bezahlen. Diese Strategie ist bei Rehabilitationsmaßnahmen, wie den Mutter-/Vater- Kind-Kuren exzessiv angewendet worden.

Die Krankenkasse, die Zusatzbeiträge erheben muss, verliert vor allem junge, gesunde und gutverdienende Versicherte. Diese sind wechselfreudiger. Zurückbleiben im Versicherungsjargon die schlechten Risiken. So gerät die Versicherung noch mehr in Schieflage. Einmal in diesem Abwärtstrudel ist kaum ein Gegensteuern möglich. Am Ende kann die Pleite stehen. Zwei Kassen ist es bereits so gegangen.

Die KKH musste bereits zwei Jahre lang Zusatzbeiträge erheben. Es ist denkbar, dass sie besonders unter Druck steht. Das Verhalten der KKH Allianz ist unverzeihlich und doch, nur das Ergebnis einer Politik, die gesetzliche Krankenkassen mehr und mehr Privatunternehmen gleichstellt und in einen ruinösen und unfairen Wettbewerb zwingt. Solidarität wird zum Fremdwort. Das ist nicht hinnehmbar.

linksfraktion.de, 3. November 2012