Zum Hauptinhalt springen

Solidarische Mindestrente

Im Wortlaut von Matthias W. Birkwald,

LINKE setzt auf ein Konzept gegen Altersarmut

Weil die Rente im Osten auch zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung mit geringeren Werten berechnet wird, erhalten Ostdeutsche nach 45 Jahren durchschnittlichem Verdienst 140 Euro weniger Rente als Westdeutsche. Das ist durch nichts zu rechtfertigen, denn damit wird die wirtschaftliche Lebensleistung der Ostdeutschen in der Rentenversicherung schlechter bewertet als die der Westdeutschen. Altersarmut ist ein gesamtdeutsches Phänomen – jedoch mit Schwerpunkt Ost.

Wer 2009 in Rente ging, erhielt mit durchschnittlich 820 Euro im Westen und 800 Euro im Osten Renten unterhalb der Armutsrisikogrenze von knapp 930 Euro – Tendenz fallend. Zudem boomen Billigjobs und Langzeiterwerbslosigkeit. Mehr als ein Fünftel der Beschäftigten arbeitet im Niedriglohnsektor, von den Frauen sind es ein Drittel und von den Beschäftigten unter 25 sogar die Hälfte. Sie sind die armen Alten von morgen.

Wer Altersarmut bekämpfen will, darf also nicht auf die Zukunft verweisen. In Deutschland sind 15 Prozent der über 65-Jährigen armutsgefährdet. So ist die Gruppe der Rentnerinnen und Rentner, die auf die »Grundsicherung im Alter« angewiesen sind, in den vergangenen Jahren um über 55 Prozent gestiegen.

Unbürokratischer Rentenzuschlag

Ein wichtiger Baustein in einem Gesamtkonzept gegen Altersarmut ist deshalb die solidarische Mindestrente, die einkommens- und vermögensgeprüft ist und über Steuern finanziert wird. Wer nach 25 Jahren Rentenzeiten, also aus eigener Beitragszahlung oder aus Kindererziehung, Ausbildung, Pflege oder Phasen der Erwerbslosigkeit, eine Rente unterhalb des Existenzminimums erhält, kann einen Rentenzuschlag bekommen, so dass sie oder er mindestens 900 Euro Rente erhält. Aber nur dann, wenn kein weiteres, ausreichendes Einkommen oder Vermögen vorhanden ist. Denn nicht jede Minirente bedeutet automatisch Altersarmut. Wichtig ist, dass den Betroffenen der oftmals als entwürdigend empfundene Gang zum Grundsicherungsamt erspart bliebe, indem die Rentenversicherung von sich aus die Menschen mit den Kleinstrenten anschriebe, auf den Rentenzuschlag aufmerksam machte und bei Bedarf das Einkommen und Vermögen prüfte.

Doch für sich allein genommen wäre die solidarische Mindestrente nur ein Trostpflaster auf einer klaffenden Wunde ohne Heilungschancen. Eine bloße Trostpflasterpolitik betreiben all jene, die die gesetzliche Rente bis auf eine Basis-, Garantie- oder Grundrente abschleifen und auf private Vorsorge à la Riester umlenken wollen. Die auf Privatisierung setzenden Konzepte wollen die gesetzliche, auf Teilhabeäquivalenz basierte Rente vollends delegitimieren. Die solidarische Mindestrente stärkt die Legitimität der gesetzlichen, beitragsfinanzierten Rente. Sie ist also komplementär und nicht konkurrierend zum Prinzip der Teilhabeäquivalenz zu sehen. Mit der Teilhabeäquivalenz wird das einmal im Erwerbsleben Erreichte – ob gut oder schlecht – in den Ruhestand hinein verlängert und aufrecht erhalten. Mit der Mindestrente wird der Tatsache Rechnung getragen, dass nicht alle die Möglichkeit haben, im Erwerbsleben etwas zu erreichen.

Schlechte Arbeit eindämmen

Ohne gute Arbeit und gute Löhne ist eine gute Rente nicht zu haben. Ohne einen Lohnmindeststandard wird jede sozial ausgleichende Maßnahme in der Rentenpolitik zu einer Art nachlaufendem Kombilohn. Deswegen muss schlechte Arbeit radikal eingedämmt werden. Leiharbeit und Mini-Jobs sollen drastisch eingeschränkt und ein flächendeckender, gesetzlicher Mindestlohn von zehn Euro pro Stunde muss eingeführt werden.

Zweitens: Den erarbeiteten Lebensstandard zu sichern, muss wieder das Hauptziel der gesetzlichen Rentenversicherung werden. Rot-Grün hat vor zehn Jahren die Lebensstandardsicherung aus der Rente verbannt – DIE LINKE will sie wieder einführen. Dazu müssen alle Rentenkürzungen per Gesetz gestrichen werden. Hierzu zählen alle Kürzungsfaktoren, also der Riester-, Nachhaltigkeits- und der Nachholfaktor, Rente ab 67 und die ungerechten Abschläge in der Erwerbsminderungsrente. Und dazu zählt, endlich den Rentenwert Ost auf das Westniveau anzuheben. Drittens: Langzeiterwerbslose und Niedrigverdienende müssen besser abgesichert werden. Deshalb sollen die Rentenbeiträge für Langzeiterwerbslose wieder eingeführt werden und mit monatlich 250 Euro sechs Mal so hoch sein, wie sie vor dem schwarz-gelben Kürzungspaket waren. Zudem muss die Rente nach Mindestentgeltpunkten fortgesetzt und entfristet werden.

Viertens: Niemand soll aus der solidarischen Alterssicherung ausgeschlossen werden und niemand darf sich ihr entziehen. Das ist das Ziel der solidarischen Erwerbstätigenversicherung, die alle Erwerbstätigen, also auch Selbstständige, Beamtinnen und Beamte, Bundestagsabgeordnete, Freiberufler, umfasst. Das stärkt die Finanzen der Rentenversicherung, und das sorgt für mehr Solidarität in der Altersvorsorge.

 

Von Matthias W. Birkwald, Rentenpolitischer Sprecher der Fraktion

Neues Deutschland, 1. Juli 2011