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Seenotrettung ist kein Verbrechen

Im Wortlaut von Michel Brandt,

von Michel Brandt, Obmann im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe für die Fraktion DIE LINKE:

Seit Anfang dieses Jahres sind bereits über 1.500 Menschen auf der Flucht über das Mittelmeer gestorben. Der Weg von den nordafrikanischen Ländern nach Europa ist die gefährlichste Fluchtroute der Welt.

Der Grund dafür ist die menschenverachtende Abschottungspolitik der EU-Mitgliedsstaaten. Getrieben von den rechtspopulistischen Regierungen in Italien, Ungarn und Österreich, haben die EU-Mitgliedsstaaten beschlossen, die zivile Seenotrettung auf dem Mittelmeer zu unterbinden. Die Grenzschutzagentur „Frontex“ wird zur „Sicherung der Außengrenzen“ weiter aufgerüstet. Flüchtende werden in unmenschliche Lager nach Nordafrika zurückgebracht und dort eingesperrt. Eine gezielte Rettungsmaßnahme, die Menschen auf der Flucht in sichere europäische Häfen bringt und das Sterben auf dem Mittelmeer endlich beendet, ist nicht vorgesehen.

Die internationale Bewegung „Seebrücke“ stellt sich dieser zynischen Abschottungspolitik Europas entgegen. Mit Aktionen in ganz Europa fordern die Beteiligten ein offenes Europa, solidarische Städte und sichere Häfen für Menschen auf der Flucht. Menschen auf dem Mittelmeer sterben zu lassen, um Europa weiter abzuschotten und politische Machtkämpfe auszutragen, ist unerträglich und spricht gegen jegliche Humanität.

Die „Seebrücke“ wird von verschiedenen Bündnissen und Akteur*innen der Zivilgesellschaft getragen. Sie alle setzen ein Zeichen der Menschlichkeit und solidarisieren sich mit Menschen auf der Flucht. Mehr als 70.000 Menschen haben bisher in über 100 Städten an Aktionen der Seebrücke teilgenommen.

Ausgangspunkt für die Entstehung der Bewegung war der menschenverachtende Umgang europäischer Staaten mit den geflüchteten Menschen auf dem Rettungsschiff „Lifeline“: 234 zum Teil schwerkranke und traumatisierte Menschen mussten tagelang auf hoher See ausharren, bevor das zivile Rettungsschiff in den maltesischen Hafen einfahren durfte. Zu diesem Zeitpunkt hatten durch den gesellschaftlichen Druck bereits mehrere Städte und Länder angeboten, die Menschen in Not aufzunehmen.

Derzeit ist kein ziviles Rettungsschiff auf dem Mittelmeer aktiv. Mehrere Schiffe ziviler Hilfsorganisationen werden von den Regierungen in Italien und Malta festgehalten. Den Crews drohen Strafverfahren. Ihnen wird die Unterstützung von Schlepperbanden unterstellt, die gegen hohe Geldbeträge Fahrten in untauglichen Schlauchbooten über das Mittelmeer organisieren. Das ist absurd, denn Fluchtgründe hängen nicht mit dem Schleppergeschäft zusammen. Während die zivilen Seenotretter*innen kriminalisiert werden, geht das Sterben auf dem Mittelmeer weiter – nur, dass jetzt keine Retter*innen mehr dort sind.

Die zynische Logik der europäischen Regierungen ist es, die Seenotretter*innen vom Mittelmeer fernzuhalten und Flüchtende in nordafrikanische Länder zurückzudrängen. Die Abschiebung in libysche Foltergefängnisse ist nicht mit dem Völkerrecht vereinbar. Das Zurückdrängen Geflüchteter nach Afrika wird Wanderungs- und Fluchtbewegungen auch in Zukunft nicht einschränken. Das Resultat sind mehr Tote auf Kosten der europäischen Abschottungspolitik. Die europäische Abschottungspolitik ist eine humanitäre Katastrophe und eine politische Bankrotterklärung.

Die LINKE fordert eine staatlich organisierte, zivile Seenotrettung. Wir fordern zudem eine sofortige Beendigung der Zusammenarbeit mit der sogenannten libyschen Küstenwache. Wir stehen für offene und legale Fluchtwege nach Europa und stellen uns gegen die zunehmende Abschottung auf Kosten von Menschenleben. Wir zeigen uns mit den zivilen Seenotretter*innen solidarisch und stellen uns der Kriminalisierung in den Weg. Denn Sie sind als die letzte Bastion der Menschlichkeit zwischen Afrika und Europa und unermüdlich dort im Einsatz, wo die europäische Flucht- und Migrationspolitik seit Jahren versagt. Wir sind Teil der Seebrücke.