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Sechs Fragen an Gesine Lötzsch

Im Wortlaut von Gesine Lötzsch,

41 der 76 Abgeordneten, die DIE LINKE im 17. Bundestag stellt, üben ihr Mandat bereits seit 2005 oder länger aus. Woran können sie anknüpfen? Wie wollen sie ihre Arbeit fortsetzen? Was wollen sie anders machen? linksfraktion.de fragt nach.


Gesine Lötzsch, 48, promovierte Philologin aus Berlin

Welche Erfahrung, welches Ergebnis oder Ereignis hat Sie in den zurückliegenden vier Jahren besonders darin bestärkt, dass sich Ihre Arbeit lohnt?

Die Angleichung des Arbeitslosengeld II im Osten an das Westniveau und die Verlängerung des Arbeitslosengeldes I für ältere Arbeitnehmer sind nur zwei gute Beispiele, wie DIE LINKE Politik in unserem Land verändert hat. DIE LINKE hat besonders bei sozialen Themen, aber auch in der Friedensfrage klare Akzente gesetzt, an denen die Bundesregierung nicht vorbei kam.

Neue Wahlperiode, alte Kanzlerin: Mit welchen Erwartungen gehen Sie als Abgeordnete in die kommenden vier Jahre?

Diese Bundesregierung muss sich warm anziehen! DIE LINKE wird mit ihrer zwanzigjährigen Oppositionserfahrung von Anfang an die Regierung unter Druck setzen. Ich hoffe, dass die SPD - nach einem Selbstfindungsprozess - mit uns gemeinsam gegen Sozialabbau und die Umverteilung von unten nach oben kämpfen wird. Auch außerparlamentarisch wird es für die Kanzlerin schwerer. Ich gehe davon aus, dass die Gewerkschaften jetzt weniger auf die Regierung Rücksicht nehmen werden, wie es in der letzten Legislaturperiode der Fall war.

Was wollen Sie im Bundestag anders oder besser machen als bisher?

DIE LINKE hat schon in der letzten Legislaturperiode sehr praktikable Vorschläge gemacht, die in der Regel von der Mehrheit im Bundestag abgelehnt wurden, wie zum Beispiel den flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn. Ich möchte, dass diese Vorschläge über den Bundestag hinaus möglichst viele Menschen erreichen. Wie schrieb Marx so schön: »Die Theorie wird zur materiellen Gewalt, wenn sie die Massen ergreift.«

DIE LINKE ist jetzt mit 76 Abgeordneten im Bundestag vertreten - 23 mehr als bislang. Was wird sich in der neuen Fraktion und für Sie als eines ihrer Mitglieder verändern?

Das sind traumhafte Verhältnisse! Ich erinnere mich, wie ich mit Petra Pau allein für die PDS im Bundestag saß und viele den Glauben daran verloren, dass es wieder einmal eine starke linke Partei im Bundestag geben würde. Damals hätte auch ich mir das nicht vorstellen können, dass wir einmal mit 76 Gleichgesinnten in einer Fraktion sitzen werden.

Warum ist Opposition nicht Mist?

In allen Staaten gibt es Regierungen, aber nicht in allen Staaten gibt es eine legale Opposition. Ich bin immer sehr verwundert, wenn die Opposition von einigen Politikern in unserem Land schlecht geredet wird. Das sind die gleichen Politiker, die die Opposition in anderen Ländern in hohen Tönen loben. Häufig wird der Regierung verantwortungsvolle und der Opposition populistische Politik zugeschrieben. Doch der Wahlkampf hat gezeigt, dass die linke Opposition verantwortungsvoll war und die Regierungsparteien sich im Populismus gegenseitig übertrafen.

Wie können Sie als Abgeordnete dazu beitragen, dass die Bürgerinnen und Bürger selbst noch mehr für ihre Interessen streiten?

In meinem Wahlkreis Lichtenberg gibt es einen Bürgerhaushalt. Jede Bürgerin und jeder Bürger kann dort über wichtige Fragen der Entwicklung des Bezirks mitentscheiden. In Berlin sind Volksbegehren - aufgrund einer Entscheidung des SPD/LINKE-Senats - seit langem möglich. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir ähnliche Regelungen auch auf Bundesebene durchsetzen können.