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Schwarzer, Steuern und die Medien: Und ist nun alles gesagt?

Im Wortlaut von Cornelia Möhring,

 

Von Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Alice Schwarzer hat Steuern hinterzogen. Eine moralische Instanz betrügt die Allgemeinheit. Es folgt der Shitstorm, ihr kämpferischer Stil gegen die Medienschelte, der Übergang zur tätigen Reue. Noch in diesem Jahr wird sie eine gemeinnützige Stiftung gründen, die der Garantie von Frauenrechten zum Durchbruch verhelfen will. Wir fragen heute nicht ganz genau, welche sie da im Auge hat und wen sie dabei, verliebt in den eigenen Status und Breitengrad, in dem sie geboren wurde, bevormundet. „Ja, ich hatte ein Konto in der Schweiz... Das war ein Fehler“.

Das Drehbuch hätte Schwarzer fast selbst schreiben können. Sie hat noch aus jeder Debatte, an der sie beteiligt war, ein Marketingcoup gemacht. Soweit so gut. Sie beherrscht die Regeln der Selbstvermarktung. Das wird ihr in unserer Welt, wo der wirtschaftliche Erfolg, koste es den Rest der Gesellschaft was es wolle, wie kein zweiter hofiert wird, kaum vorgeworfen. Im Gegenteil, das ist seit 150 Jahren bester Zeitgeist, kann studiert und nachgeahmt werden. Und seltsamerweise wird auch das Delikt, das da immer wieder mal im Schlepptau lauert, der Steuerbetrug der erfolgreich Wirtschaftenden und der leistungslos Vermögenden, im Zuge der schillernden Gewinne, die sexy und machtvoll erscheinen, zum Kavaliersdelikt verniedlicht. Da gibt es ja auch die katholizistisch geprägte Selbstanzeige und fast alles ist schon vergessen.

So viel freundliche Absolution sollte mal ALG II-Beziehenden passieren, wenn sie vergessen haben, die Übungsleiterpauschale anzugeben, oder die Ummeldeadresse zu spät abgeschickt haben. Da walzen Sozialgerichte sofort mit Anhörungen wegen verletzter Mitwirkungspflichten über sie drüber weg. Da ist die Agentur zu ihren „Kunden“ gnadenlos, was die Beweislast betrifft. Da kann es einem passieren, dass man Kontoauszüge vorweisen soll, die belegen, dass man beim abendlichen Auftritt mit einer Band keine Gage eingenommen hat, wie es einem Bekannten von mir neulich widerfuhr. Ja, es ist bekannt. Das ist ein juristisches Unding, etwas nachzuweisen, was man nicht hat. Doch innerhalb der Hartz IV-Gesetzgebung funktionieren noch ganz andere Instrumente, um absurde Sanktionen durchzusetzen, das Existenzminimum anzukratzen und Armut per Gesetz anzuordnen.

Anders bei Schwarzer, zuvor Hoeneß, der wohl auch in dieser Liga einen Meistertitel anstrebte, und keine 24 Stunden später ist es Schmitz, der Kulturstaatssekretär von Wowereit. Hier stimmt doch etwas nicht!

Der Steuervollzug ist leidlich ausgestattet, obwohl er sich nachweislich bei mehr Personal sogar rechnen würde. Die Steuerschlupflöcher werden politisch beklagt, aber weder hierzulande noch europaweit von den politisch Herrschenden geschlossen. Bei solch laxem Zugriff auf derartige Vergehen an der Allgemeinheit werden sich kaum andere ethische Maßstäbe durchsetzen. Umverteilung von oben nach unten hat auch eine menschenrechtliche Komponente und ist keine caritative Veranstaltung. Kitaausbau, gute Schulen, gleiche Chancen in den Lebensstart, bezahlbare Energie, Klimaschutz und globale Verantwortung, um Armut und Hunger, Krankheit und Krieg zu bekämpfen: Aus dieser Verantwortung entlässt uns niemand im reichen Norden. Und das hier die Starken mehr tragen können als die, die irgendwie über die Runden kommen und in reichen Ländern ihre Armut und ihre Nöte kaschieren, das sollte Frau Schwarzer eigentlich wissen. Und dass dies sehr oft Frauen sind, die gerade in existenziell schwierigen Lagen das Leben trotzdem gestalten, versuchen das Beste draus zu machen, auch das sollte Alice Schwarzer nicht neu sein. Steuerbetrügerin und moralische Instanz zu gleich sein zu wollen, Frau Schwarzer, damit schaden Sie sich zuerst nur selbst.

linksfraktion.de, 4. Februar 2014