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Schwarzer Freitag für Patienten

Im Wortlaut,

Bundestag verabschiedete Gesundheitsreform / 43 Gegenstimmen aus der Koalition

Die Gesundheitsreform wurde gestern im Bundestag verabschiedet. Für das Projekt, dessen Gelingen die Große Koalition immer eng mit dem Erhalt ihrer Macht verband, stimmten 378 von 592 anwesenden Abgeordneten, 206 votierten dagegen und acht enthielten sich der Stimme.

»Ein sehr bedeutendes Werk« nannte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Reform im Anschluss an die Abstimmung. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) hält sie für einen tragfähigen Kompromiss. Es sei gut, dass man sich so viel Zeit gelassen habe, resümierte die Sozialdemokratin Elke Ferner.

Der Lobhudelei aus den Regierungsfraktionen, die keinen der Kritiker aus den eigenen Reihen in der gestrigen Debatte zu Wort kommen ließen, begegnete die Opposition mit heftiger Ablehnung. Man entlasse die Gutverdienenden aus der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe der Finanzierung des Gesundheitssystems, so Frank Spieth von der Linksfraktion im Bundestag. Das Ziel des Gesetzes bestehe darin, der Wirtschaft zu dienen, sagte Fraktionschef Gregor Gysi. Man fasse dem kleinen Mann in die Tasche, dabei stärke man die Privilegien der Privaten Krankenversicherung (PKV), urteilte Grünen-Chefin Renate Künast.

Wichtige Elemente des Gesetzes sind die Einrichtung eines Gesundheitsfonds sowie die Möglichkeit, Zusatzpauschalen von den Versicherten für wachsende Kosten zu erheben. Die Arbeitgeber sind der paritätischen Mitfinanzierung teilweise enthoben. Spitzenverdiener werden weiter durch eine Beitragsbemessungsgrenze vor großen Beiträgen geschont. Für Pharmahersteller und Apotheken ändert sich wenig. Die PKV konnte sich allzu gravierender Eingriffe in ihre Geschäfte verwehren, muss aber künftig einen preiswerten Basistarif anbieten. Einige Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung wie die Betreuung Schwerstkranker verbessern sich, aber Beitragssteigerungen gelten als sicher und Steuererhöhungen könnten Zeitungsberichten von gestern zufolge hinzukommen.

Als Zumutung bezeichneten Linke, Grüne und Liberale die undemokratische Verfahrensweise des Zustandekommens dieses Gesetzes. Die Regierung hätte das Parlament genötigt, über Nacht umfangreiche Änderungen zu prüfen. Mancher Abgeordnete wisse gar nicht, was er hier beschließe. 43 Abgeordnete aus der Regierungsfraktion votierten gegen das Gesetz. »Als Anfang vom Ende der solidarischen Krankenversicherung« bezeichnete Arndt Dohmen, Chefarzt und Attac-Mitglied das Gesetz. Es sei ein Triumph für die privateVersicherungslobby und ihre Helfershelfer in CDU und CSU.

Die Länderkammer will am 16. Februar urteilen. Berlin wird Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher zufolge nicht zustimmen. In Kraft treten soll das Gesetz am 1. April.

Von Silvia Ottow

Neues Deutschland, 3. Februar 2007