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Schön, schöner, geschönt: Prüfbericht zur Rente erst ab 67 ohne harte Fakten

Im Wortlaut von Matthias W. Birkwald,

"Vermeintliche Erfolgsquoten werden bejubelt, harte Fakten der miserablen Arbeitsmarktlage Älterer werden verschwiegen. Das ist schäbig. Denn eines ist sicher: Die Rente erst ab 67 ist und bleibt ein gigantisches Rentenkürzungsprogramm. Insbesondere für Frauen bedeutet die Rente erst ab 67 einen Schlag ins Gesicht. Die Rente erst ab 67 ist für Viele Altersarmut per Gesetz. Das will und das wird DIE LINKE nicht ohne Widerstand hinnehmen. Wir sind für ein gutes Leben im Alter und deswegen gegen die Rente erst ab 67", kommentiert Matthias W. Birkwald den heute im Kabinett vorgestellten Prüfbericht der Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Ursula von der Leyen.

Erwerbstätigenquote – falscher Maßstab, trickreich dargestellt

Die  Erwerbstätigenquote ist für die Frage, ob die Rente erst ab 67 vertretbar ist oder nicht, der falsche Maßstab. Denn sowohl Selbständige, Beamtinnen und Beamte, mithelfende Familienangehörige und selbst Menschen mit Minijob werden bei der „Erwerbstätigenquote“ mitgezählt. Jede Arbeitsstunde zählt, egal ob schlecht (Mini-Jobs) oder gar nicht (mithelfende Familienangehörige) bezahlt, ob Vollzeit oder mindestens eine Stunde in der Woche. Deswegen zeigt die Erwerbstätigenquote der 60 bis 64-Jährigen von 38 Prozent im Jahr 2009 keinen Erfolg an. Werden nur die Vollzeit erwerbstätigen 60 bis 64-Jährigen betrachtet, schrumpft die Quote auf 27 Prozent. Für 64-Jährige liegt die Vollzeit Erwerbstätigenquote nur bei 14 Prozent. Für Frauen sieht die Vollzeit Erwerbstätigenquote mit 14 Prozent bei 60 bis 64-Jährigen und nicht einmal sieben Prozent bei 64-Jährigen noch schlechter aus.

Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung – richtiger Maßstab, trickreich dargestellt

Für die gesetzliche Rentenversicherung zählt nur sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, am besten in Vollzeit. Doch der Regierungsbericht enthält Quoten weder für Vollzeitbeschäftigung noch nach Geschlecht und auch nicht für 64-Jährige. Knapp ein Viertel der 60 bis 64-Jährigen ist sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Das ist an sich schon keine Jubelquote. Doch die Quote schrumpft, wenn die Vollzeit Beschäftigten in den Blick genommen werden. Darüber steht im Prüfbericht der Bundesregierung kein einziges Wort: Die Vollzeit Beschäftigungsquote beträgt nämlich bei den 60 bis 64-Jährigen nicht einmal ein Fünftel, genau 17 Prozent und bei den 64-Jährigen nur sechs Prozent. Auch hier ist die Situation von Frauen besonders schlecht: Die Vollzeitquote der 60- bis 64-Jährigen beträgt gerade mal zehn Prozent, die der 64-Jährigen nicht einmal vier Prozent.

Rentenkürzungen durch Abschläge – Anteil benannt, Höhe verschwiegen

Abschläge sind nichts anderes als Rentenkürzungen. Die Rente erst ab 67 wird dafür sorgen, dass mehr Rentnerinnen und Rentner noch höhere Abschläge werden verkraften müssen. 1998 betraf das 1,4 Prozent der Neurentnerinnen und -rentner. 2009 betrug die Abschlagsquote mehr als 45 Prozent. Die Bundesregierung berichtet nicht einmal die halbe Wahrheit: Die Abschlagsquote ist ein Durchschnittswert, hinter der die besonders heftige Rentenkürzung für bestimmte Berufsgruppen versteckt wird: Mehr als 70 Prozent der Dienstleistungskaufleute, ChemiearbeiterInnen, Bergleute und ElektrikerInnen müssen Kürzungen hinnehmen, wenn sie in Rente gehen. Und auch die Höhe der Abschläge verschweigt die Regierung: 1998 lagen die Abschläge bei durchschnittlich 49 Euro. 2009 bereits bei 117 Euro.

Zum Schluss: Altersgruppe der 50- oder 55- bis 64-Jährigen – falscher Maßstab

Wenn die Regierung will, dass die Menschen bis 67 arbeiten, dann nützt es den Betroffenen wenig, mit 50 oder 55 noch einen Job zu haben. Es geht nicht um die Rente ab  50, auch nicht um die Rente ab 55, sondern nur um die Rente ab 65 oder ab 67. Denn wer mit 60 keine Job mehr hat oder aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten kann, dem oder der wird die Rente gekürzt – egal, ob er oder sie mit 50 oder 55 noch in Lohn und Brot war oder nicht. Deswegen muss ausschließlich die Arbeitsmarktlage der rentennahen Altersgruppen bewertet werden. Es geht also um die 60- Jährigen und älteren – insbesondere um die 64-Jährigen. Doch davon will die Bundesregierung nichts wissen. Das ist schäbig.

Rente erst ab 67 auch nach den eigenen Beitragssatzzielen überflüssig

Würde die Rente erst ab 67 ersatzlos gestrichen, würde der Beitragssatz bis 2029 um einen halben Prozentpunkt steigen müssen. Nach heutigem Durchschnittsverdienst wären das sieben Euro im Monat. Das ist zumutbar, wenn dafür noch stärkere Rentenkürzungen oder zwei weitere Jahre Erwerbsarbeit in einem Lebensalter, wo arbeiten in der Regel schwieriger und nicht leichter wird, vermieden werden können. Außerdem würde der Beitragssatz bis 2020 immer noch unter der selbst gewählten Grenze von 20 Prozent und bis 2030 unter der selbst gewählten Grenze von 22 Prozent liegen, wie uns der Rentenversicherungsbericht informiert. Es müsste also bei Abschaffung der Rente erst ab 67 nicht einmal die schwarz-rot-gelb-grüne heilige Kuh der Beitragssatzstabilität geschlachtet werden. Im Interesse der Menschen muss darum diesem Sozialraub ein Ende gemacht werden. Darum: Weg mit der Rente erst ab 67!
Ohne Wenn und Aber.


linksfraktion.de, 17. November 2010